Großglockner Hochalpenstraße: "Sie ist mein Leben"
Die Schneeräumung der weltbekannten Passstraße habe man auch heuer wieder gut hinbekommen. Freut sich der Salzburger Peter Embacher, der die aufwendige Aktion seit vielen Jahren leitet. „Wegen Corona haben wir erst ein Monat später beginnen können, doch seit 27. Mai ist die Straße wieder befahrbar.“
Die Straße. Embacher ist auf einem Bauernhof im Ort Fusch an der Großglocknerstraße aufgewachsen, 200 Meter von ihrem Bankett entfernt. In den 1930er-Jahren ist die Hochalpenstraße als Nord-Süd-Verbindung gebaut und Anfang August 1935 als ein Prestigebauwerk des austrofaschistischen Regimes feierlich eröffnet worden. Heute ist sie weltbekannt.
Peter Embacher kennt auf der insgesamt 48 Kilometer langen Mautstraße (37 Euro für einen Pkw, 27 Euro für ein Motorrad, Radfahrer zahlen einstweilen noch mit ihrem Schweiß) jede einzelne Kehre, jede Steigung, jedes Stück Mauer, fast jeden Stein.
Ein Anrainer
„Diese Straße ist mein Leben“, sagt der Salzburger heute. Als Kind hat Peter Embacher im Frühjahr die Schneefräsfahrzeuge beobachtet, wie sie sich den Berg hinauf gearbeitet haben, dieselbe bärenstarke Flotte, die heute noch immer im Einsatz ist. Als ausgelernter Kfz-Mechaniker kam er bereits mit 19 zur „Grohag“. Hier hat er von der Lawinenkunde bis zum Fräsfahrzeug-Reparieren viel gelernt. „Ausgelernt“, erklärt der „Grohackler“ jedoch demütig mit einem Blick von Fusch hinauf auf den Berg, „hat man an der Hochalpenstraße nie“.
Die Passstraße war von Anfang an als ein identitätsstiftendes Symbol der Technik in den Alpen geplant worden und sollte auch als ein Beweis der Leistungsfähigkeit des österreichischen Ingenieurwesens dienen. Erbauer Franz Wallack wollte dem Gebirge auf keinen Fall den Rang ablaufen, sondern die Straße bestmöglich in die Natur einbetten. Vor 40 Jahren wurde sie dann vom Nationalpark Hohe Tauern umschlossen. Sie ist seitdem weltweit eine der wenigen Ausflugsstraßen innerhalb eines Nationalparks.
Für Peter Embacher ist die Hochalpenstraße ganzjährig Arbeitsplatz: Jetzt im Sommer ist er drei bis vier Mal pro Woche selbst on the road, um nach dem Rechten zu sehen. Für seine Teams, eines im Süden (auf der Kärntner Seite) und eines im Norden (auf der Salzburger Seite), steht eine Reihe von Routinearbeiten an: am Straßenbelag, am Mauerwerk, auch an den 60 Kilometer langen Zäunen. Um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, werden auch der Asphalt und der Parkplatz täglich gereinigt.
Ein Ordnungshüter
Öfters trifft man den topfitten Ordnungshüter („Der Glockner hält mich fit“) auf seinen Erkundungsfahrten auch mit dem Rad an. Und im Winter legt er seine Skitouren so, dass er sich schon früh ein Bild davon machen kann, was dann im Frühjahr auf seine Leute und auf ihn wartet.
Auf die Frage, wie sich seine vertraute Straße im Laufe der vergangenen vier Jahrzehnte verändert hat, erklärt Peter Embacher: „Sie wurde von einer reinen Transit- und Ausflugs- zu einer Informationsstraße. Die Ausstellungen und dazu all die Informationstafeln werden vom Publikum sehr geschätzt.“
Das Publikum sei – einmal abgesehen von der aktuellen Corona-Saison – in den vergangenen Jahren deutlich internationaler geworden. Im eigenen Land gilt die Großglockner Hochalpenstraße laut einer Umfrage noch vor Schönbrunn als das größte Sehnsuchts- und beliebteste Ausflugsziel der Österreicher – was allerdings nicht bedeutet, dass all die Liebhaber sie auch schon besucht haben.
Die Hochalpenstraße fährt wegen der Corona-Pandemie ein Minus ein. Die Region ist dennoch dankbar, dass sie aufgesperrt hat.
Bilanz. Lange haben die Eigentümer überlegt, ob sie heuer aufsperren sollen oder nicht. Dass sie sich letztendlich trotz der Corona-Krise dafür entschieden haben, war für Johannes Hörl, Vorstand der Großglockner Hochalpenstraßen AG (Grohag), die richtige Entscheidung. Nach ersten Prognosen liegt der Rückgang bei Besuchern und Umsatz bei 33 Prozent. Besonders hoch ist das Minus beim Bustourismus mit 75 Prozent.
Hörl bleibt Optimist: „Einen Vorteil haben wir hier im Hochgebirge: Freiheit und Weite. Abstand kann man hier halten, so viel man will.“ Die 48 Kilometer lange Hochalpenstraße ist von 300 Dreitausendern der Hohen Tauern umgeben. Auf der Strecke gibt es sieben Shops, unzählige Aussichtspunkte, Lehrwege, einige Spielplätze und Besucherzentren mit mehreren Ausstellungen über die Flora und Fauna der Bergwelt sowie viele Wandermöglichkeiten. „Dadurch kann man den Tag ganz individuell bestimmen. Das ist ein Riesenvorteil gegenüber Museen“, sagt Hörl.
Anfang April musste sich der Vorstand die Frage stellen, ob er heuer die Straße für Gäste öffnen solle, nach Rücksprache mit den Aktionären lautete die Antwort „ja“, und die Schneeräumung konnte beginnen. Als Wirtschaftsmotor hängen in der Region zu viele Betriebe am „größten Denkmal der Republik“, wie Hörl es nennt. „Die Hochalpenstraße ist ein wichtiger Partner, Auftrag- und Arbeitgeber, wir haben 800 bis 1.000 Partnerbetriebe. Es hätten wohl bis zu einem Drittel von ihnen nicht aufgesperrt, wenn wir nicht aufgesperrt hätten“, sagt Hörl.
Flagge gezeigt
Bereits zu Saisonbeginn sei es klar gewesen, dass man einen Verlust einfahren würde. Die Aktionäre haben jedoch „im volkswirtschaftlichen Interesse der Republik Österreich erlaubt, Flagge zu zeigen“. Hörl rechnet für heuer mit einem Minus in Höhe von 2,5 bis 3,5 Millionen Euro. In normalen Jahren macht die Grohag einen Gewinn zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Euro – 2019 waren es 800.000 Euro. Allein der Umsatz der Grohag liegt jährlich normalerweise bei 10 bis knapp 12 Millionen Euro.
Investiert werden muss in die Straße dennoch – denn aufgeschobene Investitionen werden noch teurer, sagt Hörl. In die 130 Hochbauten, Schutzwände, Tunnel, 90 Brücken, Galerien, etc. wird jährlich ein siebenstelliger Betrag gesteckt. Einige Arbeiten können jedoch ins nächste Jahr verschoben werden. 125 Mitarbeiter hat das Unternehmen, darunter viele Spezialisten, wie Sprengmeister, Lawinenexperten, Maurer und speziell geschulte Streckendienstmitarbeiter. Sie alle sollen trotz Corona-Krise gehalten werden, zu wertvoll sind die erfahrenen Mitarbeiter für das Unternehmen.
Hörl rechnet auch noch für die Saison 2021 mit Einbußen von 20 bis 30 Prozent. „Wir werden maßvoll sparsam sein müssen.“ 800.000 bis 950.000 Gäste besuchen in normalen Jahren die Hochalpenstraße, davon sind 80 Prozent ausländische Gäste, die Hälfte kommt aus Deutschland. Heuer wird der Anteil der Österreicher deutlich steigen, meint Hörl.
Wie sehr sich die Österreicher mit der Hochalpenstraße identifizieren, zeigten etliche Beschwerden im Frühling, als das Aufsperren noch infrage stand. Sie stammten nicht nur aus der Region, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet und hatten laut Hörl den gleichen Tenor: „Das ist unsere Glocknerstraße, also sperrt sie gefälligst wieder auf.“
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