Ohne Tabu und Scham: Warum Kinder Vulva sagen sollten
Eine Hand ist eine Hand und ein Bauch ein Bauch: Wenn Kinder beginnen, ihren Körper zu entdecken, lernen sie auch, jedem Körperteil einen Namen zu geben. Nur beim weiblichen Geschlechtsteil tun sich viele Eltern schwer, das korrekte Wort Vulva zu verwenden. Im Buch „Lina, die Entdeckerin“ wollen ein Autor, zwei Autorinnen und eine Illustratorin die Vulva ohne Scham und Tabus ins Rampenlicht zu rücken.
Ein Thema, das nicht nur Frauen betrifft, wie Autor Flo Staffelmayr weiß: „Als Vater einer Tochter gibt es immer wieder Situationen, die einen zum Thema führen“, sagt er im KURIER-Gespräch. „Ich habe mich des Öfteren gefragt, wie ich die Vulva richtig benenne. Das scheint mir wichtig – ich will ja, dass aus diesem kleinen Mädchen eine selbstbewusste Frau wird, mit einem guten Zugang zu ihrem Körper und zu ihrer Sexualität.“
Seine Kollegin Lisa Charlotte Sonnberger glaubt, dass der Umgang mit dem weiblichen Geschlechtsteil so lange schambehaftet bleibt, so lange man es nicht mit dem richtigen Wort benennt: „Wenn das Wort ,Scham’ als gängige Bezeichnung für die Vulva in den Schulbüchern gelehrt wird, brauchen wir uns nicht wundern, dass der Umgang mit dem weiblichen Geschlechtsorgan wortwörtlich schambehaftet bleibt.“
Worte finden
Die Mutter und Autorin Katharina Schönborn-Hotter zieht daraus auch Konsequenzen für die Erziehung: „Es ist wichtig, die richtigen Worte zu finden. Selbstverständlich ist es auch in Ordnung, Koseworte für die Genitalien zu verwenden, wenn man das möchte. Kinder sollten aber auch die korrekten, allgemein gebräuchlichen Begriffe kennen.“ Wenn Erwachsene zu stammeln beginnen, es ihnen offensichtlich unangenehm ist, über die Genitalien zu sprechen, so würden das die Kinder sehr genau spüren: „Und dies wirkt sich auf ihr Körperbewusstsein und ihren selbstverständlichen Umgang mit ihrem Geschlechtsorgan aus. Wir sollten das Wort ,Vulva’ so leicht über die Lippen bringen wie Brokkoli’“, fordert Schönborn-Hotter.
Wer das geschafft hat, dem gelingt wohl auch, eine körperfreundliche Atmosphäre zu schaffen. „Dass Kinder ihren Körper und somit auch ihre Genitalien entdecken möchten, diese Berührungen als angenehm erleben, ist völlig normal und wichtig für ihre Entwicklung“, ist Schönborn-Hotter überzeugt.
„Und er oder sie kann auch Fragen der Kinder beantworten und muss nicht ausweichen oder sie auf später vertrösten. Kinder haben ein Recht auf Informationen, auch ihren Körper betreffend. Das stärkt ihren Selbstwert, ihre Selbstbestimmung und somit auch die Wahrung der eigenen Grenzen.“ Das Buch über die Entdeckerin Lina hilft Eltern, die richten Worte zu finden.
Spaß am Schreiben
Die Autorinnen und der Autor hatten beim Schreiben des Buchs auch viel Spaß, wie Sonnberger erzählt: "Da gab es einen Abend, an dem wir mit der Illustratorin Anna Horak bei G’spritzten und Kässpätzle am Kutschkermarkt zusammengesessen sind, um uns das Storyboard des Kinderbuches gemeinsam zu erarbeiten. Da ging es konkret darum, den bereits verfassten Text mit möglichen Bildern zu ergänzen. Besonders amüsiert habe ich mich über die dort entstandene Idee, eine ganze Seite des Buches den unterschiedlichsten gängigen Begriffen der Vulva zu widmen und diese mit den wortwörtlichen Bildentsprechungen zu versehen. Bis heute ist diese Seite eine meiner Lieblingsseiten des Buches.
So steht das Wort ‚Schlitz’ direkt unter einer gezeichneten Abbildung einer Schlitzschraube. Zu dem Wort ‚Muschi’ ist eine eingekuschelte süße Katze zu sehen. Bei der Bildentsprechung zu der sehr gängigen Bezeichnung ‚Mumu’ haben wir uns von Katja Lewinas Buch ‚Sie hat Bock’ inspirieren lassen. In dem Kapitel ‚Gib dem Baby einen Namen’ schreibt Lewina: „Mumu...Kinderausdruck, der an blökende Kühe auf der Weide denken lässt.“ Daher wird das Wort ‚Mumu’ dem Bild einer gefleckten Kuh gegenübergestellt. Ich glaube Sie können sich vorstellen, wie witzig wir es teilweise bei der Gestaltung dieses Buches hatten. Unser zeitweise Kichern und Lachen hat uns unsere eigene Unsicherheit aufgezeigt, und darüber konnten wir wiederum lachen."
Buch: K. Schönborn-Hotter, L.C. Sonnberger, F. Staffelmayr und A. Horak (Illustration): „Lina, die Entdeckerin“, Verlag Achse, 22 Euro.
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