Haley & die "Haliens"
Aber aufgeschoben ist nicht grundsätzlich abgesagt. Vor fünf Jahren war Haley Reinhart schon einmal im Porgy & Bess zu Gast, als Mitglied der Formation Postmodern Jukebox. In der Zwischenzeit aber ist sie ein Star, wurde von Hollywood-Schauspieler Jeff Goldblum für seine Jazzambitionen engagiert, hat mit den „Haliens“ eine Anhängerschaft von fast außerirdischen Dimensionen und füllt mit eigener Begleitband große Säle. Im Frühjahr 2021 soll ihre Show dann hierzulande endlich über die Bühne gehen.
Von einem Ruhm in derartigen Ausmaßen ist Simone Kopmajer aus dem mittleren Westen Österreichs noch etwas entfernt. Aber viel fehlt nicht. Die Sängerin aus Schladming hat immerhin in Bangkok schon vor Jahren einen Bestseller gelandet. Wie kommt das? Simone Kopmajer bescheiden: „Ich habe ein Album in Thailand veröffentlicht, das in kürzester Zeit zu einem Bestseller wurde, mehr als Diana Krall oder Michael Bublé verkaufte und mich somit zu großen Festivals in Asien führte. Und auch zu Jazzklubs in Singapur."
Man sieht, die Sprache des Jazz versteht man überall. Vielleicht auch, weil der Jazz, dieser Anfang des letzten Jahrhunderts in New Orleans sich aus dem Ragtime herausgeschälte Musikstil, längst zur Weltmusik geworden ist.
„Was uns in Fernsehkrimis und Fahrstühlen, in Hotellobbys und in Werbespots, in Filmen und in MP3-Playern entgegenklingt, wonach wir tanzen, vom Charleston über Rock zu Funk und Hip-Hop – all die Klänge, die uns in der Gebrauchsmusik unserer Zeit umgeben,“ heißt es in der von Joachim Ernst Berendt herausgegebenen Bibel Das Jazzbuch, „– das alles kommt vom Jazz her“.
Dieser Jazz splittet sich längst in die Subgenres Latin-, Afro-, Free-, Nu-, Neo-Jazz, Soul-Jazz oder Jazz-Pop auf. Nicht immer zum Gefallen der selbst ernannten „Jazz-Polizei“, die schon bei dem lockeren Umgang des Briten Jamie Cullum mit den Blue Notes rotsieht. Eine Attitüde, die auch der Jazzpianistin und Sängerin Diana Krall nicht unbekannt ist. Als sich der kanadische Jazz-Superstar vor acht Jahren auf dem Cover ihres Albums „Glad Rag Doll“ in Dessous präsentierte, schnaubte das konservative Musiklager verächtlich: „Sexpupperl“.
Ja, wenn es um die Leichtigkeit des Seins geht, verstehen Jazzer keinen Spaß. Lieber grübeln als sich glamourös geben, ist die Devise. Eine Haltung, der Frauen im Jazz wenig abgewinnen können. Diana Kralls pragmatische Haltung dazu: „Eine Billie Holiday und eine Ella Fitzgerald haben sich auch schick angezogen.“
Musikalisch gibt sich Diana Krall auf ihrem neuen Album, „This Dream of You“ (Verve), dennoch ebenfalls konservativ. Ob bei ihrer Interpretation von Irving Berlins „How Deep Is The Ocean“ oder den Klassikern „Singing In The Rain“ und „Autumn in NY“ – man spürt, dass die Pianistin damit vor allem ihrem vor drei Jahren verstorbenen Mentor Tommy LiPuma nachtrauert.
LiPuma, der legendäre Produzent von Musikgrößen wie Al Jarreau, George Benson und Natalie Cole, war es, der Diana Krall vor zwanzig Jahren überhaupt erst zum Star gemacht hat: mit dem Album „When I Look In Your Eyes“. Damals heimste sie ihren ersten Grammy für das beste „Jazz Vocal“-Album ein. Und die brüchige Präsenz in ihrer Stimme ist seither ihr Markenzeichen.
So gehört, passt die melancholische Grundstimmung von „This Dream of You“ tadellos zum Herbst. Mehr noch. Wenn gerade der weibliche Jazzgesang heute wieder ein Thema ist, verdankt sich das vor allem Diana Krall und ihrer besonderen Annäherung an die Perlen des Great American Songbook.
Als sie vor einigen Jahren Burt Bacharachs „The Look of Love“ einspielte, wunderten sich manche Experten: „Mit Liedgut von vorgestern macht sie Millionen.“ Aber in einer Musikwelt, die ständig dem letzten Schrei hinterher ist, suchen viele Hörer offenbar Zuflucht in einer Variation des Vertrauten.
Ständig neue Wege hingegen sucht die eingangs erwähnte Alicia Keys („Songs In A Minor“). Die im New Yorker Viertel Hell’s Kitchen groß gewordene Musikerin wuchs mit der Musik von Beethoven und Chopin auf, um dann Rapper wie Kanye West und Timbaland zu zähmen. Mit ihrem aktuellen Album erfindet sie ihren zwischen Neo-Soul und R&B pendelnden Stil zwar nicht wirklich neu. Aber wer ihre rauchig-samtene Stimme schätzt, fühlt sich schon nach ein paar Takten eines neuen Songs wie zu Hause.
Dasselbe gilt für ihre Kollegin Norah Jones. Die in Texas aufgewachsene Tochter der Beatles-Fans bestens bekannten Sitar-Legende Ravi Shankar ist die vielleicht vielseitigste Künstlerin. Sie hatte schon eine Hauptrolle in einem Spielfilm von Wong Kar-Wai, liebt Country genauso wie Bebop und hat während der letzten Wochen ihre Fans via YouTube auch mit Wohnzimmer-Konzerten bei Laune gehalten.
Auffällig oft klangen dabei die Achtzigerjahre heraus, etwa durch jazzige Versionen von „Patience“ von Guns N’ Roses oder von Paula Abduls „Straight Up“.
Ist das noch Jazz? So eine Frage! Sheila Jordan, eine Mentorin von Simone Kopmajer und mit 91 Jahren die vermutlich einzige lebende Musikerin, die noch mit Billie Holiday zusammengearbeitet hat, würde jetzt sagen: „Was die Größe einer Jazzsängerin ausmacht, ist, dass sie im Moment kommuniziert. Man hört es einfach.“
Wenn man die Phrasierungen, das Timbre, das Timing, das Feuer und den Soul dieser Damen hört, weiß man: That’s Jazz. Und der ist gut so!
Simone Kopmajer, die Wunderstimme aus Schladming, über ihr neues Album
FREIZEIT Gratulation, Sie haben im Frühjahr den Lockdown genutzt und mit „My Wonderland“ (Lucky Mojo Rec.) ein Jazzalbum aufgenommen, das auch in den Charts platziert ist.
Ich habe überlegt: Soll ich jetzt abwarten und traurig Tee trinken? Oder Musik machen, die Freude macht. So ist es ein Album mit Bossa-Nova-Klassikern geworden.
Welcher Jazzsong würde die letzten Monate am besten ausdrücken?
„Everything Must Change“, ein Titel von Bernard Ighner, den er mit Quincy Jones aufgenommen hat.
Sie haben zur Titelnummer Ihres Albums ein Video aufgenommen, das Sie am Klavier sitzend auf einer Waldlichtung zeigt. Die Kamera schwebt an einem Kukuruzfeld vorbei. Sehr ungewöhnlich für Jazz, der ja eher eine Großstadtmusik ist.
Videos mit verrauchten Jazzklubs gibt es schon genug. Ich wollte einfach meine Herkunft mit meiner Musk verbinden und da ich aus der Steiermark stamme, fühlte sich das stimmig an.
Können Onlineauftritte und Studiosessions das Livekonzert ersetzen?
Natürlich nicht. Gerade in dieser Zeit ist mir noch bewusster geworden, wie viel Kraft ich auch von meinem Publikum erhalte und wie wichtig es für mich ist, auf der Bühne zu stehen.
Schon am 6. November erscheint das nächste Album von Simone Kopmajer, ihr erstes Weihnachtsalbum. Neben Saxofonist Terry Myers und Allan Harris wird sie auf "Christmas" mit den Duettpartnern Ina Regen, Willi Resetarits, den Schick Sisters und Viktor Gernot zu hören sein.
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