Skurril, wie einfach es manchmal sein kann. Auf Seite 213 lautet der zweite ihrer dort präsentierten fünf
Sicherheitstipps: "Wenn ihr Reinigungsmittel benutzt, lest und befolgt immer die Herstellerhinweise."
Das leuchtet ein. Und ist doch unglaublich:
Sophie Hinchliffe hat es geschafft, mit Tipps wie jenem knapp drei Millionen Menschen dazu zu bewegen, ihr auf
Instagram zu folgen. Jetzt hat "Mrs. Hinch", wie sie sich in den sozialen Medien nennt, ein Buch herausgebracht. Die deutsche Übersetzung mit dem Titel "Putz dich glücklich" erscheint am kommenden Montag. Der perfekte Zeitpunkt: Draußen riecht es bereits nach Frühling, in den Häusern der Menschen wird daher der Frühjahrsputz wieder zum Thema.
Die "Cleanfluencer"
Auch nicht schlecht ist der Hinweis auf Seite 166: "Vor der
Reinigung der Böden grundsätzlich immer erst den Staub beseitigen." Es wird gewiss Menschen geben, die darüber nicht ausreichend informiert sind, insofern ist dieser Hinweis doch wertvoll. Wer das jedoch bereits weiß, der findet in "Putz dich glücklich" von Mrs. Hinch immerhin auch gleich einen beiläufigen Tipp, mit welchem Putzmittel welcher Firma er ein Höchstmaß an Reinigung und Glück erzielen kann.
Die 29-jährige Britin gilt als die Frontfrau eines Phänomens, das auch schon benannt werden kann: Sie ist – so wie die japanische Aufräum-Ratgeberin und Bestsellerautorin
Marie Kondo – ein "Cleanfluencer". Dies ist eine Wortkreation aus dem Eigenschaftswort "clean" (sauber) und "Influencer". Sie bezeichnet Menschen, die aufgrund ihrer hohen Reichweite in sozialen Medien für die Pflegemittel-Industrie sehr interessant sind. Wer knapp drei Millionen "Hincher" (Fans von Mrs. Hinch), die angeblich auch zu den empfohlenen Pflegeprodukten greifen, vorweisen kann, hat gute Karten. Und ist zudem für große Buchverlage eine Option.
Trügt der Schein vom Sein? Sophie Hinchliffe zeigt sich gar nicht so oft als eine putzende Frau, lieber posiert sie knapp bekleidet im Paris-Hilton-Outfit. Perfekt dazu passt auch der adjektivreiche Untertitel des Buchs: "Brillante Tipps für ein glänzendes Zuhause und ein aufgeräumtes Seelenleben".
Statt Alexa: Vera und Dave
Immerhin putzt sie für ihr Leben gerne. Das tut sie wirklich, wie ihre Follower bestätigen können. Regelmäßig werden sie zu Zeugen, wenn Mrs. Hinch in ihrem schmucken Eigenheim Hausrat desinfiziert und ihre Abwasch auf Hochglanz poliert. Ihrem Wischmopp hat die gänzlich andere Reinigungskraft aus der Grafschaft Essex sogar einen eigenen Namen verpasst: Er heißt Vera. Der Staubwedel heißt wiederum Dave. Und für jedes Zimmer verwendet sie aus Hygienegründen eigene Putztücher. Um sie leichter auseinanderzuhalten, sind sie farblich abgestuft. Wird im Buch verraten.
Auch Sozialforscher haben sich mit dem Phänomen "Cleanfluencer" schon beschäftigt. Anja Röcke vom Institut für Sozialwissenschaften der Berliner
Humboldt-Universität sieht darin "eine Facette des Trends zur Selbstoptimierung". Diese reicht vom möglichst perfekten Aussehen bis hin zum neuen Biedermeier in den eigenen vier Wänden. Auch das will perfekt inszeniert sein.
Der Ratgeber von Mrs. Hinch ist mit 288 Seiten ausführlich geraten. Die Anmerkung der Übersetzerin am Ende des Buchs lässt nur den Schelm Böses denken: "Fast alle der im Original erwähnten Produkte der Firma Cif gibt es auf dem deutschen Markt von der Firma Viss."
Sophie Hinchliffe bzw. "Mrs. Hinch": "Putz dich glücklich", Heyne-Verlag, 288 Seiten, 13,40 Euro.
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