Mit Butler auf hoher See

Mit Butler auf hoher See
Auf Kreuzfahrt im Schwarzen Meer. An Bord der MS Europa 2, der neuen Diva auf hoher See. Mit Militärmanövern und einem wasserscheuen Diktator, lässigem Luxus und einem Trompetensolo bei Sonnenuntergang.

Alles is gut, ruft mir jemand zu. 7.30 Uhr. Zufrieden zieht im 15 Meter langen Meerwasser-Pool ein Herr seine Runden. Ein klassischer Kreuzfahrer zur See. Ein Kölner Schraubenfabrikant i.R. – kein Schmäh, er sieht ein bissl aus wie Willi Millowitsch. Es sei bereits seine 23. Passage auf der „MS Europa“ – um die Möbel zu Hause zu schonen. Diesmal habe er erstmals das neue Flaggschiff der Reederei Hapag Lloyd, die „MS Europa 2“ gebucht, berichtet der muntere Industrielle – jetzt kraulend. Es geht Richtung Schwarzes Meer. Von Athen nach Istanbul. Auf einer skurrilen Route, im Herbst dieses Jahres 2014. Das Anlaufen von Jalta und Sewastopol musste abgesagt werden. Die Ukraine ist momentan kein wirklich attraktives Ziel für Touristen. Während man sich unter freiem Himmel im „Yachtclub“ Riesengarnelen in Maharadscha-Currysauce gönnt, kann man gleich nebenan im Hafen bedrohliche Kriegsschiffe erkennen. Rapid Trident 14, ein Militärmanöver der Nato mit 1.300 Soldaten aus 15 Ländern hat gerade begonnen und soll Putin zur Besinnung bringen.

Mit Butler auf hoher See

Die berühmten Heilquellen von Mazesta bei Sotschi. Hier soll Stalin oft zur Kur gewesen sein. Den Pool seiner Datscha benutzte der wasserscheue Diktator nie

Alles is gut, meint der Herr aus Köln. Sehr zufrieden sei er mit dem neuen Luxusliner. Er brauche diesen formellen Schnickschnack nicht mehr. Captain’s Dinner, Sprühkerzen, die Armada von Abendkleidern der Gattin und auch sein Smoking blieben im Rheinland zu Hause. Auf der „MS Europa 2“ gibt es acht Restaurants, aber keine fixe Tischordnung. Auch das fände er gut – Konversation nur wenn man will. Für manche Traditionalisten unter den altgedienten Kreuzfahrern war die Devise Luxus leger fast ein Schock. Doch Jüngere lieben die entspannte Atmosphäre auf hoher See. Mit 1.000 Quadratmetern Wellness, waghalsigen Akrobatik-Shows und fast 900 Kunstoriginalen an den Wänden. Der Fabrikant i.R. kann mit entspanntem Luxus auch gut leben. Schließlich gäbe es ja auch Gin-Tasting im Herrenzimmer und Hummer-Kochen für die Damen. 370 Crewmitglieder verwöhnen im Höchstfall 516 Passagiere. Mit dem größten Platzangebot pro Gast an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Die kleinste der 251 Suiten mit Veranda ist 28 Quadratmeter groß, die größte 99. Mein Kölner Freund bewohnt eine Spa Suite mit Whirlpool und Dampfdusche. Und Butler-Service rund um die Uhr. Helga, die Gattin, habe gestern Abend schon mal tüchtig getrunken – der Butler war soeben bei ihr in der Suite. Zwieback und kalte Kompressen.Die MS-Europa-Butler werden auf der „International Butler Academy“ im niederländischen Valkenburg ausgebildet. Der perfekte Umgang mit Etikette und ein stets freundliches Lächeln – auch bei höherem Seegang – sind danach Routine. Die Wünsche der Gäste zu erkennen, bevor sie merken, was ihnen fehlt, sie so oft wie möglich glücklich zu machen, ist oberstes Ziel. Da werden kleinen Mäderln Märchen vorgelesen, für die Cola-süchtige Dame aus Atlanta die Flaschen vor ihrem Mann in allen Winkeln versteckt und für den 93-jährigen Schweizer Witwer zweimal täglich Mails an seine Enkel verfasst. Und der nach einem wüsten Streit nackt auf den Gang verbannte Ehemann wird wieder in seine Suite reingelassen, für arabische Gäste die Minibar ausgeräumt. Statt Wodka gibt’s Kamelmilch. Die anderen Gäste genießen sechs Bars, darunter eine schwimmende Dependance der legendären Sylter „Sansibar“ und fünf Spezialitätenrestaurants. Einmal pro Woche das Kaviar-Buffet. Auf jeder Kreuzfahrt ist Kaviar um rund 250.000 Euro an Bord. Kaviar satt – auch wenn die Devise Luxus leger ist. Mit Hummer aus dem Kamillensud, Garnelen-Törtchen in Champagnergelee, irischen Königskrabbenbeinen und sechs verschiedenen Austern-Sorten. Aber auch Bratwürstel, Kalb- und Schweinsstelzen, Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat werden serviert. Zum Glück. Man kann nicht jeden Tag von Kaviar und Königskrabben leben … 35 Sorten Gin, 450 verschiedene Weine sind stets vorrätig – darunter steirischer Sauvignon Blanc von Walter Skoff.

Damit man bei so viel Luxus nicht ständig von schlechtem Gewissen gebeutelt ist, gibt es auf der „MS Europa 2“ ein umweltschonendes Novum – das erste Kreuzfahrtschiff der Welt mit „SCR-Katalysatoren“, die den Stickoxidausstoß um fast 95 Prozent reduzieren und sogar Ruß filtern können. Zu Recht ist der Luxusliner, die neue Diva der Meere, vor Kurzem im renommierten „Berlitz Kreuzfahrt-Guide“ als Sieger gekürt worden: Charmante Crew und geschmackvolles Design, üppiges Platzangebot und kulinarische Vielfalt setzen neue Maßstäbe und begeisterten Herausgeber Douglas Ward. Bevor der Luxusliner gebaut wurde, hat man 29.910 Pläne und Skizzen geprüft. Dann 300 km Leitungen und 23.000 Quadratmeter Teppich verlegt. Und für die Jungfernfahrt im Mai 2013 den durchschnittlichen Verbrauch einer 14-tägigen Kreuzfahrt geladen: 5,3 Tonnen Fleisch, 2,1 Tonnen Fisch, 2,6 Tonnen Orangen, 780 Kilo Mango, 1.560 Kilo Erdäpfel, 19.500 Eier. Und 1.000 Flaschen Champagner. Ich glaube auf unserer Reise ins Schwarze Meer ist einiges übrig geblieben. Manche haben im letzten Moment abgesagt. So waren wir nur rund 250 mutige Ukraine-Abenteurer. Mit Zielen wie Skopelos und Skiathos (über die griechischen Mamma Mia-Inseln ein anderes Mal), einer traumhaften Dardanellen- und Bosporus-Passage, dem Erlebnis der neureichen Putin-Vorzeigestadt Sotschi – und der Entdeckung einer der faszinierendsten Städte seit Langem: Odessa (doch darüber auch ein anderes Mal). Türkische Städte wie Sinop und Trabzon, die tieftraurige Hafenstadt Constanta, wo man auf Schritt und Tritt merkt, wie weit der Weg für Rumänien als EU-Mitglied noch ist. Ja, dort waren wir auch überall. Kurz. Sotschi. Hier an der russischen Riviera geht fast alles. Wenn es sich der neue, selbstherrliche Zar Putin wünscht. Olympische Winterspiele in subtropischem Klima. Formel-1-Zirkus. Eine Kopie des „Negresco“-Hotels in Nizza. Und ein Gesetz, das Glücksspiel erlaubt. In renovierten Fin-de-Siècle-Palästen. Davor Bentleys, Ferraris und Porsches. Wenn Putin seinen Lieblingsort besucht, sind alle Straßen für seine Anreise gesperrt. In letzter Zeit ist Sotschi auch zum Hochzeitstraum geworden. Vor den monumentalen korinthischen Säulen lässt man sich trauen und fotografieren, danach geht’s zum Festessen bei McDonald’s.

Mit Butler auf hoher See
Die berühmten Heilquellen von Mazesta am Stadtrand sind leicht zu finden: Immer dem Geruch von faulen Eiern folgen. Hier soll Stalin oft zur Kur gewesen sein. Seine Datscha ganz in der Nähe ist auch heute noch zu besichtigen. Die Balkone sind so hoch wie Stalin selbst war, damit ihn niemand sehen kann, die Vorhänge verkürzt, damit sich kein Mörder dahinter verstecken kann, die Betten zahlreich, damit er mehrmals pro Nacht sein Lager wechseln konnte. Draußen eine Hollywoodschaukel. Und ein Pool, den der wasserscheue Diktator nie benützte. Varna in Bulgarien. Vor mehr als 50 Jahren war ich mit meinem Cousin Loli und Tante Pepi hier. Der erste Flug, der erste Urlaub am Meer, das erste Busserl. Für Marianne aus Chemnitz. Unter einem Mimosenstrauch. Heute riecht es hier noch immer herrlich – Bulgarien ist der größte Rosenölproduzent der Welt. Zum Duft kommt der Geschmack, hier ist das älteste Weinbaugebiet der Welt – seit 2.500 Jahren. Bulgarischer Rotwein ist, nachdem man unter französischer Anleitung Wein wie im Bordeaux anbaut, ein absoluters Geheimtipp: Merlot, Syrah, Cabernet Sauvignon und Petit Verdot finden hier optimale Bedingungen vor. Und sogar Weinpapst Robert Parker schwärmt vom bulgarischen Bordeaux: Die Roten des „Castra Rubra“-Weinguts, das von Star-Önologen Michel Rolland geleitet wird, begeisterten ihn. Die frühere unentdeckte Perle der Schwarzmeerküste lebt in diesem Jahr auch von der Ukraine-Krise. Fast täglich ankern hier Luxusliner, früher waren es nur zwei, drei pro Jahr. Selbstsicher bewirbt man sich auch als „Kulturhauptstadt 2019“. Die Ruinen der römischen Thermen werden bereits restauriert. Das Schwarze Meer. Jahrtausende lang war es nicht zugänglich. Erst seit 7.000 Jahren besteht eine Verbindung zum Mittelmeer, seit dieses den Bosporus überschwemmte und sich in das tiefer gelegene Schwarze Meer, das davor ein Süßwassersee war, ergoss. Die ältesten Völker der Welt lebten hier – in der Wiege Europas. Helden der Historie – Griechen, Römer, Thraker und Osmanen, alle hinterließen ihre Spuren. Mit leuchtenden Augen erzählt mir das alles mein neuer Kölner Freund. Ihm habe es auf der letzten Reise zur See ein Lektor aus Hamburg, Herr Professor Gerrit Aust, berichtet. In den vergangenen Jahren habe dieser fast jeden zweiten Tag auf See verbracht. 386 Kreuzfahrten. Bis jetzt. Wir sitzen am Heck des vielleicht schönsten Cruisers der Welt. Am Weg von Varna nach Istanbul. In der „Sansibar“. Gin and Tonic, Sonnenuntergang, ein Trompetensolo wie von Miles Davis. Alles is gut.

www.mseuropa2.de

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