King of Comedy

Seine Karriere begann mit einem Sturz, dennoch schaffte es JERRY LEWIS bis ganz oben. Am 16. März wird die Komiker-Legende 90 Jahre alt. Alles über den Mann, der "Kindischsein" zu einer Kunstform erhoben hat.

Das Schicksal als Chance – Jerry Lewis kann ein Lied davon singen. „Es war im Wohnzimmer meiner Eltern. Ich trällerte einen Song, den mir mein Vater beigebracht hat. Ich rutschte aus und fiel hin, und im Fallen bekam ich meinen ersten Lacher. Seither habe ich nicht mehr aufgehört, hinzufallen“, erzählte die Komikerlegende, die am 16. März 1926 als Joseph Levitch in Newark, New Jersey auf die Welt kam, zu seinem Achtziger.

Seither kamen zehn Jahre und einige Wehwehchen hinzu, aber eines blieb gleich: Auch mit 90 Jahren zeigt sich Jerry Lewis unglaublich vital. Der Spaßmacher, der am „Walk of Fame“ mit gleich zwei Sternen gewürdigt wurde, bleibt Hollywoods Stehaufmann, nein Stehaufbub. Was heißt, viele Buben. Immerhin sind es mehrere Bubenträume, die sich der linkisch wirkendeSchauspieler erfüllt hat.

Als kindliches Varietétalent schaffte er es, zehn Jahre lang von einem Lebemann wie Dean Martin akzeptiert zu werden. „Wie so viele Entertainment-Explosionen“, erinnert sich Jerry Lewis in seinen vor zehn Jahren erschienenen Memoiren „Dean & Me (A Love Story)“ launig, „waren wir Ergebnis eines Zufalls.“

Von 1946 bis 1956 – 16 Kinofilme und zahllose Nachtklub- sowie TV-Auftritte lang – bildeten sie ein Dreamteam. Und das war erst der Auftakt. Als Solo-Spaßkanone stürmte Lewis in den Swinging Sixties sogar unter die Top 20 der Billboard-Musikcharts. Und in den frühen Siebzigern drückte bei ihm, dem mittlerweile leicht aus der Mode geratenen Comedy-Star, halb New Hollywood die Schulbank.

Dean Martin hatte sich in der Zwischenzeit neben Frank Sinatra und Sammy Davis jr. als Teil des Rat Pack akklimatisiert. So sehr, dass zwischen den alten Partnern die Eiszeit Einzug hielt. Und als Jerry Lewis später, Anfang der 1980er-Jahre, ein anderer Martin – der Bilderstürmer Martin Scorsese – mit dem Drama „King of Comedy“ ein neues Image verpasste, sorgte das beinahe für einen Skandal. Die Komikerkanone gab darin einen genervten Altstar, der meilenweit entfernt von einem „Bürotrottel“ agierte.


Mit den Worten „Martin, das ist dein bisher reifster Film“, kam Sergio Leone nach der Premiere in Cannes auf Scorsese zu. Der sollte später sagen, dass er sich nicht sicher war, ob das Leones Art war, sein Unbehagen auszudrücken.

Egal, es kam, wie es kommen musste. „King of Comedy“ floppte. Dafür stand Jerry Lewis auf einmal bei Filmkritikern und in der Indie-Szene hoch im Kurs. Johnny Depp drehte mit ihm für den serbischen Regisseur Emir Kusturica in der amerikanischen Wüste das surreale Drama „Arizona Dream“.

Das alles machte den schon fast vergessenen Helden eines unbeschwerten American Way of Life bei einer neuen Generation zu mehr als einem Geheimtipp. Und Jerry Lewis, auch nicht faul geworden, arbeitete als Produzent eifrig daran, mit Eddie Murphy, seiner jungen, schwarzen Reinkarnation, die Figur des "Verrückten Professors" auch in die Gegenwart hinüberzuretten.

Apropos Gegenwart. Sogar ihr drückt die Legende einen Stempel auf. Vor drei Jahren überraschte der Komiker bei den Filmfestspielen von Cannes nach 18 Jahren Leinwandabstinenz als mürrischer Jazzpianist in dem Seniorendrama „Max Rose“. Viennale-Chef Hans Hurch versuchte damals, Jerry Lewis zu einem Abstecher nach Wien zu überreden: „Es scheiterte daran, dass er dafür eine Spende für seine Hilfsorganisation für muskelkranke Menschen einforderte, die wir uns nicht leisten konnten – mindestens 50.000 Dollar.“


Spektakulärer noch ist der Umstand, dass Lewis jüngst durch einen 44 Jahre alten Film in die Schlagzeilen kam. Mit „The Day The Clown Died“ wollte der Sohn russischer Juden lange vor Roberto Benigni („Das Leben ist schön“) zeigen, dass man über den Holocaust eine Komödie machen kann. Das Ergebnis war jedoch Schrott und wird von Lewis seither unter Verschluss gehalten. In einer jüngst in der ARD ausgestrahlten dokumentarischen Spurensuche zu Lewis’ Holocaust-Epos kommt mit „Shoah“-Regisseur Claude Lanzmann ein anderer 90-Jähriger zu Wort – und entzauberte den Mythos um den Film: „Jerry Lewis ist intelligent. Er sah rechtzeitig, dass er mit seinem Film falsch lag.“

Richtig liegt hingegen das Museum of Modern Art in New York, das zu Ehren des Jubilars eine „Happy Birthday“-Reihe mit 35mm-Filmen zeigt. Ob Jerry Lewis auch dabei sein wird? Wäre ja gelacht, wenn nicht ...

Kommentare