Kai Joachim Kulenkampff über Vergangenes

Kai Joachim Kulenkampff, Arzt und Sohn des verstorbenen Hans-Joachim Kulenkampff, im Interview mit Barbara Reiter
"Einer wird gewinnen" kehrt am 1. März ins Fernsehen zurück: Mit Jörg Pilawa als Moderator und Kai Joachim Kulenkampff als Studiogast. Der 54-jährige Sohn des 1998 verstorbenen Hans-Joachim Kulenkampff arbeitet als Radiologe in Wien. Ein Gespräch über das Leben mit einem berühmten Vater und das Schicksal, ein Promi-Kind zu sein.

Herr Kulenkampff, heute Abend wird Jörg Pilawa in der ARD in die Fußstapfen Ihres berühmten Vaters treten und "Einer wird gewinnen" moderieren. Sind Sie mit der Wahl des Moderators einverstanden?

Kai Joachim Kulenkampff: Ich habe mit Herrn Pilawa nur einmal geredet. Er wirkt nicht unangenehm und ist ein g’scheiter Bursch. Pilawa hat behauptet, dass er sich zur Vorbereitung alle Sendungen angeschaut hat. Er will das offenbar sehr gründlich und richtig machen.

Das wären etwa 90 Sendungen. Wie viele davon haben Sie gesehen?

Meine Erinnerungen sind sehr fragmentarisch, ich war ja damals ein Kind. Ein paar Sendungen kenne ich aber gut, weil ich sie auf DVD habe. Der Hessische Rundfunk hat "Einer wird gewinnen" einmal wiederholt. Da haben mir nette Menschen Sendungen aufgenommen.

Sie werden bei der Live-Sendung dabei sein. Freut Sie das oder denken Sie: "Nicht schon wieder ein Jubiläum"?

Langsam kriege ich Routine. Es gibt immer wieder mal eine Sendung, ein Gespräch oder einen Jahrestag. Und dann erinnert man sich irgendwie an den Herrn Papa und ich bin halt sozusagen der Geisterbeschwörer. Es bleibt ja was Positives, weil wir nicht über den Massenmörder Krull reden, sondern über meinen Vater, den sich die Leute gerne angeschaut haben. Aber das ist eher etwas für die Generation 40plus. Sie werden sich nicht mehr an meinen Vater erinnern können, oder?

Natürlich. Er wirkte sehr charmant.

Naja, so charmant war er nicht und ich habe ihn ja ziemlich gut gekannt. Er ist einfach gut angekommen. Aber wenn Sie die Generation meiner 19-jährigen Tochter befragen weiß keiner mehr, wer der Kuli ist. Irgendwann ist das vorbei.

Kann eine Fernsehshow, die in den 1960er bis 1980er-Jahren ein Straßenfeger war, 2014 funktionieren?

Ich habe lange geglaubt, dass das in der Form nix mehr werden kann. Aber langsam habe ich das Gefühl, dass es bei der allgemeinen Verwirrung, die derzeit in den menschlichen Köpfen herrscht, gar nicht so schlecht wäre. In der Sendung wurde zumindest ein bisschen Orientierung angeboten.

Durften Sie als Kind viel fernsehen?

Ich hatte gar nicht so das Bedürfnis. Unterhaltungsfernsehen hatte bei uns zuhause nie einen hohen Stellenwert. Aber an den Samstagen, an denen der Herr Papa aufgetreten ist, sind wir schon vor dem Fernseher gesessen. Schon alleine, weil ich am Montag in der Schule Rede und Antwort stehen musste. Es ist ja nicht so einfach als Promi-Kind in der Provinz. Wir haben in Salzburg gelebt.

Warum eigentlich? Hat Ihr Vater Österreich so geliebt?

Das hatte vor allem steuerliche Gründe. Im Leben geht es doch immer ums Geld.

Wurden Sie von Ihren Mitschülern für den berühmten Vater bewundert?

In Österreich wird man nicht bewundert, schon gar nicht als Angehöriger. Und noch weniger als lebender Angehöriger. Tot wäre es ja noch gegangen. Sie wissen sicher, was ich meine. Sie kriegen eine Rolle. Das hatte seine Vor- und Nachteile.

Zum Beispiel?

Ein Vorteil war, dass man mit dem Namen Kulenkampff im Restaurant schneller einen Tisch bekommen hat. Kaum sind wir irgendwo reingegangen, kam der Wirt schon auf uns zugerannt und hat gefragt: "Kuli, darf ich Ihnen etwas anbieten?" Damit sind wir auch schon bei den Nachteilen. Mein Vater hatte im deutschsprachigen Raum einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent. Damals gab es ja nur wenige Fernsehsender. Das ist so, als hätte man nur zwei Speisen zur Auswahl. Man nimmt entweder die eine oder die andere. Heute gibt es 50 Sender, da bleibt nur ein Fünfzigstel Aufmerksamkeit übrig.

Wann konnten Sie schließlich zum ersten Mal in die Anonymität abtauchen?

Ab dem Studium, was sehr angenehm war. Das muss ich schon sagen. Im Gegensatz zur Schule konnte ich mir meine Freunde dort selbst aussuchen. Ihnen war meine Herkunft dann auch egal. Nach fünf Minuten weiß man, ob man auf derselben Wellenlänge ist. Und wennst ein Depp bist, nützt dir auch der ganze Kulenkampff nichts. Es ist schwierig, als Promi-Sohn halbwegs normal zu überleben. Aber wenn ich mir die Schicksale anderer anschaue, hatte ich eh noch Glück.

Woran mag das gelegen sein?

Meine Mutter hat meine Schwester und mich, so gut es ging, aus allem herausgehalten. Außerdem sind wir jedes Jahr drei Monate nach Skandinavien zum Segeln gefahren. Mein Vater liebte das Wasser. Dort waren wir unerreichbar. Und in Dänemark hat sich kein Mensch um uns gekümmert. Dort konnten wir ein Viertel des Jahres eine ganz normale Familie sein.

Haben Sie nie darüber nachgedacht, Ihren Namen abzulegen?

Die Familie Kulenkampff hat eine lange Geschichte, die man bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen kann. Es war nicht nur mein Vater, der einen Namen hatte, es gab einige gute Leute. Witzigerweise viele Mediziner und Physiker – wie mein Sohn.

Sie selbst sind Mediziner geworden. Ihre Wahl kam also nicht von ungefähr.

Der Bruder meines Vater war Professor für Anatomie in Homburg. Ein witziger Mensch, der tolle Vorlesungen gemacht hat. Er war theatralisch, so wie ich auch. Wir sind alle ein bisschen theatralisch.

Wäre da für Sie ein kreativer Beruf nicht auch nahegelegen?

Mich hat Film, Regie und Literatur sehr interessiert, aber ich wäre dadurch auf ein Konkurrenzfeld getreten. So gerne ich meinen Herrn Papa gehabt habe: Das hätte er nicht durchgestanden. Es hätte mehr Streiterei und Missgunst als Nutzen produziert. Auf diese Diskussionen wollte ich mich nicht einlassen, weil ich genug andere Interessen wie die Medizin und anderes Naturwissenschaftliches hatte. Und wenn ich morgen Autos verkaufen sollte, verkaufe ich eben Autos.

Autos verkaufen ist doch langweilig.

Nichts ist langweilig, wenn man es g’scheit macht. Sie wissen, was ich meine. Es geht darum, dass man im Tun nicht so eingeschränkt ist, wie man oft glaubt.

Was sind die besten Erinnerungen an Ihren Vater?

Die positive Geschichte war sicherlich, das fast restlose Vertrauen, das meine Eltern in mich hatten. Das Motto war: "Du bist g’scheit, du machst das schon", obwohl ich in der Schule zwischen "Sehr gut" und "Sehr schlecht" gependelt bin. Ich habe für die Neuauflage von "Einer wird gewinnen" auch ein paar alte Filme aufgetrieben. Da bin ich mit meinem Vater zu sehen und mache einen sehr glücklichen Eindruck. Nach 50 Jahren kann man das sagen. Es ist ein starkes Gefühl der Geborgenheit und Liebe herübergekommen. Aber mein Vater war auch nie der Traumpapi, mit dem man spielen, wandern oder basteln konnte. Eine gewisse Ferne hat es durch seine dauernde Abwesenheit immer gegeben. Aber man muss die Dinge nehmen, wie sie sind.

1957 hatte Ihre Mutter einen Autounfall, bei dem Ihr damals vierjähriger Bruder Till starb. Hatte dieser Schicksalsschlag Auswirkungen auf Sie?

Meine Schwester Merle war dabei, ich bin zwei Jahre danach auf die Welt gekommen. Die Botschaft für mich war, dass es damals keine psychologische Hilfe gab, weder für meine Mutter, noch für meine Schwester – und für den Vater schon gar nicht. Der Unfall war eine Zäsur, über die nie geredet wurde. Ich war ein Betroffener in der zweiten Reihe, der, der den anderen ersetzt hat. Das hat Eifersucht bei der Schwester ausgelöst und so was wie Erlösung bei den Eltern. Das schwebt natürlich über einem.

Konnten Sie das für sich aufarbeiten?

Ja, das ist noch gar nicht so lange her. Der Tod von Kindern hat große Wirkung auf nachfolgende Generationen. Das kann bis zu meinen Kindern gehen, weil sich ja das Verhalten der Menschen ändert. Auf alten Filmen sieht man die Familie vor dem Tod des Kindes und danach. Den Unterschied im Verhalten merkt man bei allen. Aber das hat nichts mit mir zu tun. Wesentlich war, dass es 1957 niemanden zum Reden gab, wenn man reden wollte. Das hatte sicher Auswirkungen.

Wenn Sie Ihren Vater noch einmal treffen könnten: Was würden Sie mit ihm tun?

Ich würde gerne mit ihm Segeln gehen. Ich könnte es genießen und würde mich nicht wie als Kind zwangsverpflichtet fühlen. Er war ein angenehmer, ruhiger Mensch, mit dem man intelligent reden konnte, wenn er nicht der Kuli war. Ohne Scheinwerfer war er richtig gemütlich.

Und was würden Sie ihm sagen?

Du hast es eh guat g’macht.

Kommentare