Ins Netz gegangen

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Zu hohe Fangquoten, zu wenig Transparenz. Aber es gibt Hoffnung: Die sanfte Fischerei ist im Vormarsch. Die EU will ihre teils strapazierten Fischbestände in Zukunft schonender bewirtschaften.

Scholle, Dorsch und Hering der Ostsee geht es wieder gut, heißt es. Der Raubbau in den Meeren Europas sei gestoppt. Nachrichten, die einen auch in einem Binnenland optimistisch stimmen können.

Denn zumindest ein Mal pro Woche, empfehlen Ernährungswissenschaftler, sollte Fisch auf unseren Tellern liegen – zum Abnehmen, fürs Herz und überhaupt für die Gesundheit. Und der Fisch? Der wird natürlich nicht gefragt, ob er auch so gern gefangen wird, noch dazu von riesigen Fangflotten auf eine sehr unsanfte Weise.

Überfischung und Raubbau machten sich in den vergangenen Jahren breit. Warum das so war, erklärt Nikolaus Gelpke, Verleger der Zeitschrift „mare“, unter anderem durch die gestiegene Bedeutung des Fischfangs. „Es gibt weltweit etwa 450 Millionen Fischer, und rund 800 Millionen Menschen leben indirekt von der Fischerei“, so Gelpke.

Ein überwiegender Anteil der internationalen Fischereiflotte ist in Asien konzentriert. So versteht sich auch, warum ein Exot wie der Pangasius aus dem Mekong-Delta seit geraumer Zeit in den Restaurants, Fast-Food-Ketten und Kantinen Mitteleuropas angeboten wird. Denn der Süßwasserfisch wird in Südostasien zunehmend in Aquakulturen gezüchtet. Gerade an diesem Billig-Fisch entbrannten Debatten über „gesunde“ Essgewohnheiten, Transportwege und Methoden der Nahrungsmittelindustrie. Mit dem Ergebnis, dass manche den Pangasius fast schon für einen heimischen Wels hielten.

Das muss nicht sein. Vor allem nicht unter diesen Bedingungen. Wenn es nach dem Willen des Europaparlaments geht, sollen die knapp vor Weihnachten beschlossenen Regeln für eine nachhaltige und umweltverträgliche Fischerei künftig auch für den Fischfang in nicht-europäischen Gewässern angewendet werden. Denn europäische Konsumenten gelten als kritisch. Laut Naturschutzorganisation WWF ergab eine Umfrage in insgesamt 14 EU–Staaten, dass die überwiegende Mehrheit der Europäer genug von den alten, überholten Praktiken in der Fischerei hat. Knapp 90 Prozent aller Befragten wünschen sich demnach mehr Information über die Herkunft ihres Fisches, ihnen ist wichtig, dass der Fisch auf ihrem Teller aus nachhaltigen Beständen kommt.

Verantwortungslose Aquakultur war daher auch ein wichtiges Thema beim Welternährungstag der Vereinten Nationen am 16. Oktober. Sie äußert sich etwa in dem meist nicht nachhaltig gefangenen Fisch, der im Fischfutter verwendet wird und die Lage der weltweiten Fischbestände noch weiter verschlimmert. Ein Beispiel: Vier Kilogramm Wildfisch müssen derzeit verfüttert werden, um ein Kilo Goldbrasse zu „produzieren“.

Insgesamt 40 Prozent aller Fänge landen als sogenannter Beifang jährlich als Abfall in den Weltmeeren. Der WWF empfiehlt daher den Kauf von mit MSC zertifizierten Produkten, dem derzeit einzigen anerkannten Label für verantwortungsvoll und nachhaltig gefangenen Fisch.

Die EU als weltweit größter Importmarkt für Fisch hat somit große Verantwortung für die Art, wie dieser gefangen wird. Aber nicht allein am Zustand der Weltmeere ist abzulesen, wie wir mit der Umwelt umspringen. Aus diesem Grund wurde ein kleiner, formvollendet schöner Verwandter des Störs zu Österreichs Fisch des Jahres 2014 gewählt, der gefährdete Sterlet.

Mit einer Stammesgeschichte, die jene des modernen Menschen locker um das Tausendfache übertrifft, schwammen Störe bereits in den damaligen Gewässern, als unsere eigenen Vorfahren noch keine Spuren auf Erden gezogen hatten. Davon, dass früher alles besser war, könnten Störe als nicht nur ein Lied singen, sondern ganze Fischgesänge.

Was den Stör immer mehr stört, erklärt das Österreichische Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF) so: „Heute ist der Bestand dieser Arten extrem zurückgegangen. Durch die beiden Kraftwerke am Eisernen Tor und durch die Staumauer bei Gabčíkovo kann derzeit keiner dieser Großfische über die Donau nach Österreich oder Deutschland aufsteigen.“Man sieht es ihm zwar kaum an, doch auch der kleine Sterlet will beziehungsweise muss wandern, um sein Laichgeschäft erfolgreich zu erledigen. „Auch wenn er dabei keine so weiten Strecken zurücklegt, so behindern ihn dabei die immer zahlreicher gewordenen Querbauwerke erheblich“, führt das ÖKF aus.

Gut möglich, dass der Sterlet daher nicht unglücklich über die Speisekarte der Zukunft ist. Wenn es nach René Redzepi geht, Eigentümer und Küchenchef des Noma in Kopenhagen, das mehrfach als „bestes Restaurant der Welt“ ausgezeichnet wurde, findet sich dort Gemüse, Gemüse und noch einmal Gemüse. „Heute haben wir zu 80 Prozent Gemüse auf unserer Speisekarte“, erklärt er jetzt in dem Almanach „Die Welt 2014“. Und weiter: „Wir beobachten eine ähnliche Entwicklung in den Restaurants auf der ganzen Welt, wo sich die Köche immer weniger damit beschäftigen, ,luxuriöse’ Zutaten aus weit entfernten Ländern einzukaufen und statt dessen auf regionale Produkte setzen. Damit gewinnt man ein Gefühl für den Ort, an dem man sich befindet, und das Restauranterlebnis wird einzigartig.“

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