"Vater der Robotik": "Ich brauche einen Roboter, der Hemden faltet"
Im Artificial Intelligence Labor des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat Colin Angle seine ersten Erfahrungen auf dem Gebiet der Robotik gemacht. Mit 23, kurz nach seinem Universitätsabschluss, gründete er iRobot. Wenig später gewann er eine Ausschreibung des US-Verteidigungsministeriums und arbeitet seitdem daran, Roboter zu entwickeln, die das Leben des Menschen vereinfachen.
Colin, in den letzten Jahrzehnten haben Sie sehr vielseitige Roboter gebaut. Was waren Ihre Highlights?
Am Anfang verfolgten wir die revolutionäre Idee, Roboter zu einem fixen Bestandteil des Alltags zu machen. Während dieses gewagten Unterfangens haben wir fast zwanzig verschiedene Geschäftszweige ausprobiert, um dort anzukommen, wo wir heute sind. Unser Ziel dabei war stets, Roboter so herzustellen, dass die Produktion weniger kostet als der Mehrwert, den sie Menschen durch die Verwendung bieten.
Ganz am Anfang stand die Erkundung des Weltraums im Mittelpunkt?
Unser allererstes Business waren Micro Rover für die Planetenerkundung. Wir waren eines der ersten Unternehmen, die damit experimentierten. Ein anderes Beispiel sind die Förderprogramme in den USA, für die wir uns beworben hatten: Wir mussten einen Roboter entwickeln, der Treppen steigen kann und hatten dafür ein Budget von 100.000 Dollar. Wir haben den Roboter entworfen und als wir unsere Pläne präsentieren mussten, kam die große Überraschung: Wir waren ein kleines Unternehmen und sind gegen die größten Rüstungskonzerne der Welt angetreten. Unser Design war ganz einfach: zwei Spuren und drei Motoren. Lockheed Martin präsentierte ein Design mit 23 Motoren! Und während die anderen Firmen nur Skizzen mitgebracht hatten, war unser Roboter bereits gebaut und funktionsfähigDaraus entstand ein Regierungsauftrag und der PackBot, der in Afghanistan und Irak eingesetzt wurde. Er hat weit mehr als 1.000 Leben gerettet.
Und wie kam es zu Putzrobotern?
Wir haben viele verschiedene Verwendungszwecke ausprobiert und erst zwölf Jahre nach der Firmengründung stellten wir unseren Putzroboter, Roomba, vor. Auf dem Weg dorthin gab es viele Zwischenstationen: von Spielrobotern bis zu der Minenentschärfungsmaschine. Unsere Roboter kamen nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima und der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zum Einsatz. Wir wollen Menschen helfen. Heute konzentrieren wir uns nur noch auf den Verbrauchermarkt und produzieren Roboter, die den Alltag der Menschen vereinfachen. Die Arbeit in der Rüstungsindustrie und im Katastrophenschutz war mir persönlich sehr wichtig. Dennoch war die Entscheidung in das Verbrauchergeschäft zu wechseln einfach: unsere Vision ist es, Roboter zu bauen, die den Alltag erleichtern ...
Wir haben gelernt, dass Menschen keine komplett autonomen Roboter wollen
... und uns etwa beim Putzen helfen, Putzmaschinen sozusagen?
Heute bauen wir nicht mehr „nur“ Maschinen, sondern Roboter, die auf ihre Umgebung reagieren. Unsere Roboter reinigen nicht jeden Tag das ganze Haus. Sie verstehen Befehle, folgen Anweisungen und konzentrieren sich auf das Wesentliche. Wir haben gelernt, dass Menschen keine komplett autonomen Roboter wollen. Sie suchen beispielsweise Helfer für die Hausreinigung. Das erfordert eine Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine und dadurch auch eine gute Kommunikation zwischen Verbraucher und Roboter. Unsere Geräte reinigen und entleeren sich eigenständig. Falls du in der Küche Mist machst, reicht der Befehl „Alexa, Roomba soll die Küche reinigen“ und unser Roboter navigiert eigenständig in die Küche, um dort Ordnung zu machen. Für uns bedeutet das eine Verlagerung von der Roboter-Konstruktion hin zum Design eines umfassenden Services, das die Komplexität des Alltags für den Menschen reduziert. An dem arbeiten wir seit 17 Jahren. 25 Millionen Roboter haben wir bereits ausgeliefert.
Wie wird sich der Bereich der intelligenten Elektronik weiterentwickeln?
Heutzutage können immer mehr Haushalte ihre Elektronik miteinander verbinden. Geschirrspüler, Kühlschränke, Fernseher, Radios, Lautsprecher, Glühbirnen: alles ist „connected“. Die meisten Hersteller haben das erkannt und bauen in ihre Geräte WLAN oder Bluetooth ein. Doch die wenigsten Haushalte verwenden diese Verbindungen.
Woran liegt das?
Die Systeme können sich nicht selbst einrichten oder selbst verwalten. Das ist die größte Herausforderung für das „Connected Home“. Wir könnten alle möglichen neuen Gerätekategorien schaffen, aber diese werden das Leben weiterhin nur marginal verbessern. Das Smart Home ist heutzutage noch ein leeres Versprechen, da es aus vielen nicht miteinander verbundenen Systemen besteht.
Das heißt, die Innovation der nächsten zehn Jahre besteht darin, die Verbindungslücken zwischen den „Smart Devices“ zu füllen, statt Roboter zu schaffen, die menschliche Bewegungen und Aktivitäten ersetzen?
Ja, genau. Sobald das System funktioniert, können wir uns über Geschirrreinigungsroboter und Faltroboter für die Wäsche unterhalten. Aber derzeit ist es ein kaputtes System, das dringend ein bindendes Glied benötigt.
Bevor wie einen Roboter bauen, der Arme hat, muss der Roboter wissen, wo er sich befindet und was die Arme machen sollen
Und wann denken Sie, dass wir einen Hemdenfaltroboter zuhause haben werden?
Also ich brauche dringend einen Roboter, der Hemden falten kann, und arbeite unermüdlich daran, einen zu schaffen! Aber Spaß beiseite: Bevor wir einen Roboter bauen, der Arme hat, muss der Roboter wissen, wo er sich befindet und was die Arme machen sollen. Und falls Sie sich fragen, wieso mein Unternehmen Reinigungsroboter baut: Als Roboterunternehmen müssen wir zuerst jene Technologie bereitstellen, die feststellen kann, wo Sachen sind. Erst danach können wir überhaupt an Roboter mit Armen und Beinen denken. Und genau das ist was iRobot macht: Wir arbeiten an neuen Technologien und Produkten die „Home Understanding“ fördern – das maschinelle Verständnis von der Umgebung im eigenen Heim.
Wie unterscheidet sich das von künstlicher Intelligenz?
Es ist nicht der Mangel an künstlicher Intelligenz, der die Robotik davon abhält, mehr zu machen. Wir hätten bereits den Wissensstand der künstlichen Intelligenz vor fünf oder sogar zehn Jahren dazu verwenden können, viele technische Herausforderungen der Gegenwart zu lösen. Wir tappen aber weiterhin im Dunkeln, was die Informationen über das eigene Zuhause betrifft. Wenn wir beispielsweise mit dem Internet verbundene Lampen installieren, wird oft nicht gespeichert, wo sie aufgestellt sind. Und wenn wir dann das Licht automatisch beim Einschalten des Fernsehers steuern möchten, passiert nichts, da das System nicht weiß, welche Lampe neben dem Fernseher steht.
Sie sprechen davon, dass Technologie das Heim in allen Details erfassen muss. Dabei spielt natürlich auch die Privatsphäre und die Datensicherheit eine besonders große Rolle. Wie gehen Sie mit diesen Themen um?
In diesem Bereich ist ein durchdachter Ansatz besonders wichtig. Bei Robotik ist es essenziell, dass die Daten, die der Roboter erfasst, Eigentum des Roboter-Besitzers bleiben. Daher verkaufen wir niemals die Daten unserer Kunden. Dabei geht es nicht nur um die Privatsphäre, sondern auch um die Sicherheit der Daten. Das fängt bei der Chipentwicklung an und setzt sich mit der Datenübertragung und Verschlüsselung fort. In Zukunft wollen wir einen Standard definieren, in dem Kunden uns ihre Daten auf Wunsch anvertrauen können, um dadurch unsere Roboter klüger und vielseitiger zu machen. In diesem Sinne sind wir schon lange datenschutzkonform, nicht nur in Europa. Wir machen heute bereits mehr als uns die Datenschutzgrundverordnung vorschreibt.
In welchen Bereichen wird sich in der Robotik in den kommenden Jahren am meisten weiterentwickeln?
Es gibt einige Bereiche, in denen es viel Potenzial und derzeit wenige Angebote gibt. Das eine sind Reinigungsroboter für Großflächen, wie beispielsweise Industrieflächen oder der öffentliche Raum. Ebenso gibt es noch viel Potenzial für Roboter im Energiebereich, die unseren Alltag maßgeblich verändern werden. Und ich möchte natürlich weiterhin einen Roboter, der meine Wäsche falten kann. Ich denke iRobot wird auch das eines Tages anbieten können. Ich habe mein Leben lang daran gearbeitet, dem Potenzial dieser Industrie gerecht zu werden. Und ich denke, wir sind immer noch am Anfang der Reise.
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