„Ich bin froh, dass ich es mir schwer gemacht habe“

„Ich bin froh, dass ich es mir schwer gemacht habe“
Elisabeth Orth, 79, entstammt dem berühmten Hörbiger-Clan. Trotzdem wollte sie schauspielerisch eigene Wege gehen. Sie nahm den Namen der Großmutter an, verließ Österreich und kehrte erst nach ihrem Durchbruch zurück. Ein Gespräch über ihre berühmten Eltern, Zwiegespräche mit Verstorbenen und den 80er, den sie in Kürze feiert.

Frau Orth, Sie werden am 8. Februar 80 Jahre alt. Da müssen wir natürlich über Ihren Geburtstag reden ...

Sie müssen nicht reden, Sie sind ausgezogen, um es zu tun.

Ich wollte ausloten, ob es Ihnen angenehm ist, über das Alter zu sprechen.

Ja angenehm. Vor allem, weil ich an meinem Geburtstag einen Lyrik-Abend machen kann. Das war schon ein Wunsch von mir. Das kann ich was schenken und bekomme etwas zurück. Es gibt also eine Vorfreude.

Es heißt, die 50-Jährigen wären die neuen 30-Jährigen. Demnach müssten die 80-Jährigen die neuen 60-Jährigen sein. Stimmen Sie dem zu?

Es hat sich etwas Entscheidendes verändert. Die Lebenserwartung steigt. Wenn ich mir heute auf einem Foto einen Club der Senioren anschaue, wie das so schön heißt, sitzen da plötzlich Herren und Damen, von denen man denkt: „Haben die überhaupt Enkel? Die schauen so jung aus.“ Bis zur Politik ist das aber noch nicht durchgedrungen. Die müssen sich dringend etwas einfallen lassen, damit wir, die in Pension gehen, der Allgemeinheit nicht auf der Tasche liegen.

Das Schöne am Schauspielerdasein ist, dass man nicht in Pension gehen muss, wenn man nicht will, oder?

Das stimmt. Man sollte es aber auch nicht überziehen. Falls die Physis nicht mehr so ist und die Sprechwerkzeuge nicht mehr so sind, das Gedächtnis nachlässt und das Aussehen, dann bitte ab in die Pension! Was nicht heißt, dass man den Beruf in den Kasten hängen muss. Man kann unterrichten, Lesungen machen oder schreiben. Daran denke ich auch oft, aber vorläufig noch nicht.

Verleitet ein langes, ereignisreiches Leben wie Ihres dazu, zurückzuschauen oder leben Sie lieber in der Gegenwart?

Ich habe eine Autobiografie veröffentlicht, die nicht meine Idee war. Da wurde ich gezwungen zurückzuschauen. Das hat mir zum Teil große Freude gemacht, zum Teil bin ich doch auch erschrocken, wer aller nicht mehr lebt. Die kleinen Kreuze im Telefonbuch sind mehr und mehr geworden. Es gibt Stiche, wenn man daran denkt: „Wann hab ich diesen Menschen zuletzt gesehen, woran starb er, wie geht es den Trauernden nach ihm?“

Ihr dritter Ehemann Hanns Obonya, den Sie als einzigen richtigen Ehemann bezeichnen, ist nach zehn gemeinsamen Jahren verstorben. Haben Sie damit gehadert, dass Sie nur zehn Jahre hatten?

Nein, er war sehr krank zum Schluss. Mir war das nicht bewusst, weil die Ärzte damals noch nicht sehr auskunftsfreudig waren. Damals galt bei Krebs noch die Regel, die Familie nicht vollkommen einzubinden. Als er dann gegangen ist, war ich erleichtert. Die Krankheit war so, dass er kein Männerleben hätte mehr führen können. Und ich weiß aus seinem eigenen Mund, er hätte sich umgebracht. Dass das nicht stattfand, war auch wegen unseres Kindes eine Erlösung für mich – für ihn auch.

Ihr Sohn ist Schauspieler Cornelius Obonya, der seit 2013 den „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen gibt. Glaubt man Medienberichten, haben Sie beide ein sehr gutes Verhältnis.

Das haben wir. Wir sehen uns nur zu wenig. Das ist überhaupt nicht zu vergleichen damit, wie selten ich meine Schwestern sehe (Anm.: Die Schauspielerinnen Christiane und Maresa Hörbiger). Aber jeder hat beruflich seine eigenen Baustellen und es geht sich oft nicht aus. Wir haben immer gesagt, wenn wir das Theater nicht hätten, würden wir uns überhaupt nie sehen. Aber mit meinem Sohn, meiner Schwiegertochter und meinem Enkel ist das Verhältnis auch geografisch zum Glück so, dass ich schnell in mein Auto steigen kann oder er rüberkommt.

Unlängst lief auf "Servus" eine Quizshow. Eine Frage lautete, wer die „Buhlschaft“ nie gespielt hat. Zur Auswahl standen Ihre Schwester Christiane, Veronica Ferres, Sophie Rois und Sie. Warum haben Sie die Rolle nie gespielt?

Das ist nicht mein Fach. Das muss eine erotische Katz’ sein, sagen wir jetzt mal so. Und das war ich nie.

Nach dem Lesen Ihrer Biografie, die viele Bilder von Ihnen enthält, hat man nicht den Eindruck.

Die Buhlschaft hat eine besondere Erotik. Aber Erotik muss generell sein. Ohne wäre sonst ein bisschen Verarmung unterwegs. Meine ersten Schritte in sogenannter männeranziehender Erotik waren als Marie im „Woyzeck“ mit Hans Lietzau. Er hat mich noch in der Nacht nach der Generalprobe angerufen und gesagt: „Elisabeth, die Männer müssen wahnsinnig werden unten in den ersten drei Reihen. Schlaf gut. Gute Nacht!“

Konnten Sie nach so einem Kompliment überhaupt gut schlafen?

Ich habe sogar sehr gut geschlafen.

Ihre vorhin angesprochene Biografie „Aus Euch wird nie was“ haben Sie nach einem Satz Ihrer Mutter Paula Wessely benannt. Das klingt schon sehr hart.

Ja, was heißt hart? Meine Mutter war eine anspruchsvolle Frau, auch mit sich selber und eine Perfektionistin. Ich will nicht die Texte aller Mütter der Welt sehen, wenn die Töchter nicht tun, was verlangt wird. Dann ist das bei Gott nicht sehr hart, sondern direkt. Und das war meine Mutter.

Konnten Sie damit gut umgehen?

Es hat sich so oft wiederholt, dass uns das nicht so irrsinnig aufgeregt oder gekränkt hätte. Außerdem habe ich Sachen gemacht, die sie nicht wollte.

Stimmt es, dass Sie mit Ihrem Vater und Ihrem Mann noch heute Zwiesprache halten?

Ja, das stimmt. Es bringt Freude. Außerdem finde ich, „gehört sich das“, meinem Mann zu erzählen, was sich abgespielt hat in der Familie. Die Geburt meines Enkels, dass mein Sohn geheiratet hat und so. Das weiß der Hanns alles, weil ich es ihm erzähle.

Sprechen Sie laut mit ihm?

Nein, ich bin ja nicht wahnsinnig. Ich möchte auch nicht in der Psychiatrie landen. Das mache ich mit dem inneren Lautsprecher.

Würden Sie Ihr bisheriges Leben als glücklich bezeichnen?

Ich habe viel Glück gehabt, wenn ich sehe, was andere Menschen und Kollegen ertragen müssen. Ich habe ein arbeitendes Leben, wo ich mich als Luxuswesen bezeichne. Ich bin dankbar dafür.

Denken Sie manchmal an den Tod?

Es gibt einen Satz, der nicht von mir ist, dem ich etwas abgewinnen kann. Keine Angst vor dem Tod, Angst vor dem Sterben. Ich möchte nicht ein siecher Pflegefall werden. Aber wer will das schon. Es kommt, wie es kommt.

Wie lautet die bisher größte Weisheit Ihres Lebens?

Die stammt von meiner Mutter. Mir ging es einmal mies und sie hat mich in Deutschland besucht. Sie schaute mich an und sagte mir auf den Kopf zu: „Dir geht’s nicht gut.“ Dann ging sie ein Stück weiter und meinte: „Immer nur das Nächstliegende.“ Ein einfacher Satz, hinter dem viel Erfahrung steckt. Das habe ich befolgt und das geht wunderbar.

Damit meinte Sie, sich auf den Augenblick zu konzentrieren?

Genau. Man vergisst dann den Überbau der Gedanken: Was wäre wenn? Was kommt? Kann ich dies oder jenes? Das Nächstliegende heißt zum Beispiel für mich: „Fahre ich mit der Straßenbahn?“ „Ja, ich fahre mit der Straßenbahn.“ „Habe ich alles?“ Ja, das Ticket ist in der Tasche des Mantels.“ Ich weiß auch, welche Straßenbahn ich zu nehmen habe und wie weit sie mich fahren wird. Das grauenvolle Wie? Wenn? Was? ist damit weg, weil du dich konzentrierst. Plötzlich wird es leichter. Ich habe das selbst erlebt.

Angenommen, Sie könnten eine bereits verstorbenen Person noch einmal treffen: Wer wäre das?

Müsste diese Person die Wolke sieben verlassen und auf die Erde kommen?

Wie Sie möchten.

Das würde ich ihr nicht raten. Also brauch ich einen Telefondraht hinauf. Dann, glaube ich, wäre es schon der Hanns Obonya, dem ich ja viel zu erzählen hätte. Alles kann man während der Zwiesprache nicht erzählen. Dann will ich auch wissen, wie es auf Wolke sieben zugeht. Keine Ahnung. Also er hat ja sehr viel Humor, ich glaube, wir beide würden viel lachen.

Elisabeth Orth, 79, wurde 1936 als älteste Tochter der Schauspieler Paula Wessely und Attila Hörbiger in Wien geboren. Ihre Schwestern sind die Schauspielerinnen Christiane, 77, und Maresa Hörbiger, 70. Orth absolvierte das Reinhardt-Seminar und ging zuerst nach Deutschland, ehe sie fix ans Burgtheater kam. Ihr Debüt feierte sie dort 1965. Sie nahm auch den Namen der Großmutter mütterlicherseits an, um als Schauspielerin eigene Wege zu gehen. Das ist ihr mehr als gelungen. 2014 wurde Orth Ehrenmitglied der Burg und 2015 zur Doyenne ernannt. Der Ehrentitel wird jener Schauspielerin des Ensembles zuteil, die durch ihre hervorragenden künstlerischen Leistungen das Haus als würdigste Vertreterin repräsentiert. Ihren 80. Geburtstag am 8. Februar feiert Orth, wo sonst, auf der Bühne.

INFO: Die großartige Schauspielerin tritt am 8. Februar, ihrem 80. Geburtstag, um 19:30 Uhr im Akademietheater auf: „Neunundsiebzig plus eins“. Ein lyrischer Abend von und mit Elisabeth Orth. www.burgtheater.at

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