Herr der Fliegen

Nebel als Quelle für Strom statt Überdruss
Zuerst war es Charles Ritz, der Sohn des legendären Hotel-Tycoons, dann kamen Robert Redford und Brad Pitt – und jetzt werfen die Damen die Leinen aus. Von der Kunst der Verführung durch das Fliegenfischen.

„Damen sind oft ganz entzückt davon“, sagt Robert Hlozek. „Sie halten es für Ohrenschmuck.“ Bald nicht mehr. Denn mit seiner Frau Eva Marie und Fliegenfischerexperte Bernhard Stuiber macht sich der passionierte Outdoor-Freund daran, das Angeln auf den Kopf zu stellen. „Fischen ist zu 98 Prozent eine Domäne der Männer“, so Hlozek. „Oder nein“, setzt er eins drauf, „zu 99 Prozent.“

Um daran etwas zu ändern, bietet der Diplomtrainer spezielle Kurse für Frauen an. „Nicht auf der Wiese, nur im Wasser lernen Sie Fliegenfischen!“, ist dabei das Motto. Und das könnte genauso gut von Lady Berners stammen. Die Nonne aus dem englischen Sopwell im ländlichen Hertfordshire hat schon vor mehr als 500 Jahren eine Abhandlung über das Fischen verfasst – „Treatyse of fysshynge wyth an Angle“. An Aktualität hat sie seither kaum verloren. Unter den Tugenden der Fischerei finden sich unter anderem die Punkte Umwelterhaltung und Anstandsregeln.

Apropos Anstand. Robert Hlozek interpretiert den Sinn der weiblichen Fliegenfischerei wie folgt: „Willst du einen Tag lang glücklich sein, betrinke dich. Willst du ein paar Jahre lang glücklich sein, such dir einen Mann. Willst du ein Leben lang glücklich sein, geh Fliegenfischen!“

Fliegenfischen? Das ist die vielleicht älteste und zugleich kultivierteste Art, Fische zu fangen. Wer lange genug an einem See oder Fluss saß, sah sicher schon eine Forelle nach Insekten schnappen. Hinweise auf künstliche Fliegen finden sich außerdem bereits in mehr als 2.000 Jahre alten griechischen Schriften. Heutzutage sind sie ordentlich in einer Vitrine sortiert.

„Die Aufsteigernymphen stellen eine Fliege im Stadium des Schlüpfens dar“, erklärt Karl Kramreiter, Herr der Fliegen im Fischerei-Fachgeschäft Rössler in Wien-Fünfhaus. „Das macht sie als leicht zu erhaschende Beute besonders begehrt.“ Petri heil. Kramreiter, ein Mann, zu dem eine wasserdichte Hose so perfekt passt wie eine Krawatte zu einem Bürohengst, schätzt die Zahl der heimischen Angler auf 120.000 bis 150.000.

Einen Boom in seinem Metier sieht er nicht wirklich. Warum auch? Der Produzent einer eigenen Angelruten-Marke – „Byron“ – überblickt praktisch eine fast hundertjährige Fischereigeschichte. „Meine Großmutter hat das Geschäft gegründet“, führt er aus. „Am 1. Mai 1914, da war der 1. Mai bei uns noch gar kein Feiertag.“

Im Moment, Tage nach der Hochwasserkatastrophe, geben sich mehr Kunden als sonst die Klinke in die Hand. Und das aus zwei Gründen: So hüfthohe Wathosen und extradichte Watstiefel gibt es eben nur bei einem Spezialisten. Ein solcher war auch der Hotelier Charles Ritz (1891-1976). Er hat nicht nur die Teleskop-Angelrute erfunden und das Fliegenfischen im Nachkriegseuropa populär gemacht, er war auch ein Freund von dem wohl legendärsten Hobby-Fischer – Ernest Hemingway. Seine Novelle „Der alte Mann und das Meer“ erschien 1952. Vier Jahre später schrieb er das Geleitwort zu einem Werk mit einem ausladenden Titel: „Erlebtes Fliegenfischen. Kunst und Technik des Fliegenfischens auf Äschen, Forellen und Lachse.“ Sein Autor: Charles Ritz.

Längst wurde die Teleskop-Angelrute von Ruten aus Kohlefaser abgelöst, geblieben aber ist eines: Fischen, und besonders das Fliegenfischen, vermittelt die absolute Verbundenheit mit der Natur. „Alles Leben kommt aus dem Wasser“, predigt Robert Hlozek. Er hat das einschlägige Standardwerk des Schweizer Hoteliers zwar nicht auf dem Nachtkasten liegen, dafür seine Botschaft ständig im Kopf: Fischen ist Erholung für Mensch und Natur.

Gemeinsam mit Fischeraufseher Bernhard Stuiber hat er die speziellen Frauenkurse ins Leben gerufen. Auch weil beide meinen, dass sie das Rüstzeug für die idealen Fliegenfischer mitbringen. „Sie besitzen alle Eigenschaften, die einen perfekten Fliegenfischer ausmachen“, erklärt der gebürtige Böheimkirchner. „Sie bringen Einfühlungsvermögen, Geduld und auch Zielorientiertheit mit.“ Schon bisher fiel ihm auf, dass es den wenigen Damen, die regelmäßig zur Angel greifen, auch nicht am Jagdtrieb mangelt. „Nur die Fertigkeit der Technik lässt bisweilen zu wünschen übrig.“ Aber dafür gäbe es eben nun eine professionelle Betreuung.

Die Chancen für eine Erweiterung der Angler-Gemeinschaft stehen derzeit überhaupt gut. Als Ausgleich zum hektischen Arbeitsalltag bietet sich die sportliche Betätigung unter freiem Himmel geradezu an. Die aktuelle Fliegenfischerei in Europa orientiert sich am amerikanischen Vorbild und forciert statt dem Fang die Methode „catch and release“. Durch das Fischen mit „Schonhaken“ kann die Forelle wieder zurück in den Fluss oder den Teich entlassen werden, ohne Schaden zu nehmen.

So etwas klingt auch in den Ohren von zarten Naturellen gut. Und hoffentlich hallt es noch lange nach. „Denn Fischen“, so Trainer Hlozek, „repräsentiert den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens. Dadurch eröffnen sich neue Einblicke in das Universum der Wasserwelt. Einer Welt, an der wir – siehe Hochwasser – in den letzten Jahrzehnten allzu viel Raubbau betrieben haben.“

www.byron.net

www.fischen.at

Grundausrüstung gibt es ab etwa € 150. Aber man kann nicht einfach eine Rute kaufen und im nächsten Gewässer fischen. Angeln in Österreich ist Landessache und daher ist für jedes Bundesland eine amtliche Bewilligung (Fischerkarte) zu erwerben. Wer schnuppern will: Viele Hotels, Pensionen und Tourismusverbände bieten Angelkarten an. www.oefg1880.at, www.fischundwasser.at

Kurs-Info Fliegenfischen für Frauen; Fr-So in Aschbach an der Url, Bez. Amstetten; Gebühr: € 400 inkl. Leihgerät, zwei Übernachtungen und Verpflegung. Info: Robert Hlozek, Tel. 0680 2373233

Österreich

Pielachtal

Im südwestlichen Niederösterreich fängt man bevorzugt Forellen und Äschen (r. o.).

Salzkammergut

Wer gerne Raubfische wie den Hecht fängt, liegt hier nicht falsch.

Kärntner Seen

Ob Forelle oder Hecht, hier fühlen sich alle Fische wohl. Die Fischer ebenso.

Geheimtipps

Wo Fische einen Fluss beleben, stehen die Angler parat. In Kasach- stan ist der Tourismus ausbaufähig – hier gibt es noch Fischgründe zu entdecken.

International

Alaska

Lachsfischen im Hohen amerikanischen Norden gilt unter den meisten Anglern begehrenswert wie Surfern ein Ausritt vor Hawaii.

Mongolei

Die Fischerei nach den Taimen (Sibirischer Huchen) hat dieses Land in Asien in letzter Zeit zu einer echten Trend-Destination unter Fischern gemacht.

Florida

Von Miami bis Key West treffen Outdoor-Sportler auf den Spuren Heming- ways auf ein Eldorado nach dem anderen. Am liebsten zappelt ihnen der Tarpon an der Angel.

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