hello,   dolly!

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Wer in Dolly Parton nur eine wasserstoffblonde Countrysängerin mit großer Oberweite sieht, wird ihr nicht gerecht. Sagen ihre Fans. Und von denen gibt es immer mehr. Am 19. Jänner feiert sie 70. Geburtstag. Höchste Zeit, dem Phänomen Parton auf den Grund zu gehen.

Alle lieben Dolly. Ein Trend, der mich verunsichert. Es sind nämlich nicht nur die üblichen Verdächtigen, wie Oberlandei Kenny Rogers, mit dem sie den Welthit "Islands In The Stream" sang. Oder Burt Reynolds, der sich heute noch gern an die Aussicht bei den gemeinsamen Dreharbeiten zu "Das schönste Freudenhaus in Texas" erinnert. Nein, plötzlich sind es Leute wie Jack White, Norah Jones, Lianne La Havas oder die Hipster-Popper des Bombay Bicycle Club, die sich als Fans outen – beim britischen Glastonbury Festival, quasi dem weltweiten Hochamt für angesagte Musik, wurde sie nicht nur überraschenderweise eingeladen, sie zog mit 180.000 Zuschauern auch gleich die größte Menschenmenge an, die dort je einem einzelnen Act zugesehen hat. Und jetzt widmete die Berliner Indie-Ikone und "Wir sind Helden"-Frontfrau Judith Holofernes Dolly sogar einen Artikel in der "Zeit". Was ist da los – hab ich was verpasst?

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"An meiner Verehrung ist nichts Postmodernes, kein Augenzwinkern", schreibt Judith Holofernes. "Diese Frau ist für mich eine der aufrichtigsten und beeindruckendsten Persönlichkeiten der Popgeschichte."

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epa04973980 German singer Judith Holofernes performs during a free 'Thank You' concert for refugee helpers and volunteers at the Koenigsplatz square in Munich, Germany, 11 October 2015. After the friendly welcome that many migrants received in September - greeted with applause, teddy bears and welcome signs at the main train station in Munich - the tone among some politicians and voters has grown harsher. EPA/MARC MUELLER

Hm, das ist eine Ansage. Und sieht man genauer hin, ist es tatsächlich so, dass die üppige Blondine aus dem hintersten Tennessee nicht nur durch gestochen scharfe Bonmots auffällt: "Es kostet viel Geld, so billig auszusehen wie ich", sagt sie etwa freimütig oder: "Gut, dass ich ein Mädchen geworden bin, sonst hätte ich wohl Dragqueen werden müssen." Dolly Parton ist auch eine belesene Interviewpartnerin – und kämpft seit Jahren vehement gegen Bildungsdefizite und An-alphabetismus an. Mehr als 20 Millionen Bücher wurden bisher von ihrer Organisation "Dolly Parton's Imagination Library" an bedürftige Kinder verteilt. "Meine zwei Geheimnisse: Ich bin nicht dumm - und auch nicht blond", sagt sie selbst augenzwinkernd dazu.

So weit, so gut. Aber kann sie tatsächlich eine "musikalische Inspiration" sein? Wie übrigens nicht nur Frau Holofernes behauptet. Auch die junge, Grammy-nominierte Soul Queen Lianne La Havas sieht sich von Dolly beeinflusst. Für Dollys revoluzzerisches Patenkind Miley Cyrus ist sie die "beste Sängerin der Welt", und Rapperin Iggy Azalea, sonst eher als Lästermaul bekannt, sagt: "Dolly ist größer als das Leben. Ich träume von einem Duett mit ihr." Jamie CacColl vom Bombay Bicycle Club sieht in ihr "die Antithese zum vorherrschenden Musikschrott" und sagt: "Ich bin ein riesiger Dolly Fan." Jack White will seit Jahren eine CD mit ihr aufnehmen, traut sich aber nicht zu fragen, die extravagante Bassistin, Sängerin und Rapperin Me'shell Ndegeocello spielt ihre Songs, wie etwa "Two Doors Down".

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American country music star Dolly Parton performs on the Pyramid Stage at Worthy Farm in Somerset, during the Glastonbury Festival June 29, 2014. REUTERS/Cathal McNaughton (BRITAIN - Tags: ENTERTAINMENT SOCIETY)

Für mitteleuropäische Ohren ist es vor allem Partons hohe bis gellende Country-Stimme, die gewöhnungsbedürftig ist. Holofernes erinnert ihr Gesangsstil an die "Offenheit, mit der Kinder singen, bevor ihnen jemand gesagt hat, sie sollen aufhören zu plärren". Und ja, da ist was dran. Vor allem, wenn man Dolly Parton live sieht, fällt die beinahe kindliche Leichtigkeit auf, mit der sie singt. Bei aller technischen Brillanz, die jeden Wettsing-Juror schmachvoll verstummen lassen muss, ist hier absolut nichts künstlich – im Gegensatz zu ihrem oft belächelten Äußeren. Einfach großartig: Eine knapp 40 Jahre alte Jam-Session mit Gitarren-Legende Chet Atkins, die auf YouTube zu finden ist. Oder ein spontanes Ständchen, das sie mit der lokalen Band während eines Pub-Besuchs in Irland singt. Ihre Cover-Version von Led Zeppelins "Stairway To Heaven" ist die beste, die es gibt. Und wie sie 1974 im Fernsehstudio entspannt auf einem Hocker sitzt und völlig unprätenziös "I Will Always Love You" singt – da muss man sie einfach lieben. Genau, der Song, den wir von der Jahrhundertstimme Whitney Houstons kennen, ist von ihr. Überhaupt, die Parton als Komponistin: Gut 10.000 Songs hat sie geschrieben, darunter so grandiose Sachen wie "Jolene", "Coat Of Many Colors", der Countryrock-Stampfer "9 to 5" – im gleichnamigen Film war sie als gestresste Sekretärin übrigens auch unglaublich gut, und haben wir überhaupt schon über ihre Rolle in "Magnolien aus Stahl" gesprochen... ?

Ja, danke Judith Holofernes & Co, ich bin eh auch Fan. Oder, um es mit den Rauschebartrockern von ZZ Top zu sagen, die natürlich auch zum Club gehören: "Dolly rules."

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NEW YORK - SEPTEMBER 1976: Country singer Dolly Parton poses for a portrait in Septemberl 1976 in New York City, New York. (Photo by David Gahr/Getty Images)
Dolly Rebecca Parton Dean, geboren am 19. 1. 1946.
Mit elf Geschwistern in ärmlichsten Verhältnissen auf einem Bauernhof in den Smoky Mountains von Tennessee aufgewachsen. Im nächsten Dorf gab es eine Prostituierte, "von der ich nicht wusste, dass sie eine Prostituierte war", wie Dolly erzählt. Der Look der Dame machte auf das kleine Mädchen vom Bauernhof allerdings großen Eindruck. "So will ich aussehen, wenn ich groß bin", beschloss sie. "Sie ist trashig", gab ihre besorgte Mama zu bedenken. "Dann will ich auch Trash sein", sagte Dolly.

Mit 18 zog sie alleine nach Nashville, wo sie anfangs hauptsächlich Songs für andere Interpreten schrieb. Dort lernte sie auch ihren Mann Carl Dean kennen. Am 30. Mai feiern die beiden Goldene Hochzeit.

Don Henley

„Ihre Stimme ist Amerika. Sie wächst direkt aus diesem Boden, den Bergen, den Weiten,
den Wäldern. Ich kann gar nicht sagen, wie viel Respekt ich vor ihr habe.“

Lianne La Havas

Dolly ist klug und weise - ich liebe ihren Humor so sehr wie ihre Musik. Ich hoffe, in ihrem Alter auch nur annähernd so cool zu sein wie sie.“

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Hollywood actor Burt Reynolds poses for a portrait during an interview with Reuters at a hotel in central London, Britain December 3, 2015. In his nearly 60-year career, Reynolds has played a macho businessman tackling fierce river rapids in a canoe, a loveable rogue evading police in a car chase across America's south and a pornography filmmaker. Each part was significant for the Hollywood actor. "Deliverance" was Reynolds' breakout role, "Smokey and the Bandit" topped the U.S. box office while "Boogie Nights" earned him an Academy Award nomination. Photograph taken December 3, 2015. REUTERS/Dylan Martinez TPX IMAGES OF THE DAY
Burt Reynolds

„Ich liebe Dolly. Und habe zum Glück sooo lange mit ihr gearbeitet, dass ich ihr schlussendlich sogar ins Gesicht gesehen habe ...“

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