Verführer und kein Weiterkommen

Verführer und kein Weiterkommen
Auerspergstraße – Lerchenfelder Straße – Goldfisch – Nguyens Phohouse: 1200 Schritte

Ich gehe die Lerchenfelder Straße stadtauswärts, aber ich komme nicht weit. Zuerst muss ich nämlich vor dem Schaufenster des Army-Shops gegenüber vom 25hours-Hotel stehenbleiben, um mir die grotesken Kleidungsstücke anzuschauen, die man hier kaufen könnte, wenn man sie, anders als ich, haben wollte. Wahrscheinlich statten sich hier die Typen aus, die eine alte Fantasie von mir wahr machen, nämlich sich auf der Autobahn ein Polizistenkappl aufzusetzen und allen depperten Rasern und Dränglern das wohlverdiente Strafmandat auszustellen. Dann, denke ich mir, hat die Hütte eh ihre Berechtigung.
Vorbei an dem unverhältnismäßig großen Ecklokal, wo einmal Theater- und Konzertkarten verkauft wurden, schreite ich voran bis zur ehemaligen Putzerei, wo sich inzwischen das segensreiche Fischgeschäft „Goldfisch“ niedergelassen hat. Ich kann euch nur sagen: Macht nicht den Fehler, dieses Geschäft zu betreten, wenn ihr es eilig habt, denn ihr werdet zuerst verführerische Austern und Krustentiere in der Vitrine sehen und anschließend von einem kleinen Zwischenhunger überwältigt werden, weil der Chef nämlich hinter der Budel steht und erlesene Fischmahlzeiten kocht, und wer bin ich, nichts zu essen, wenn es so gut riecht wie jetzt?
Außerdem sollt ihr wissen: Hände weg vom Alkohol. Aber nicht hier. Denn im „Goldfisch“ gibt es so delikate und gut ausgesuchte Weißweine, dass es fahrlässig wäre, nicht das eine oder andere Glas Chablis zu den Austern zu bestellen, die leider auch noch sein müssen.
 Ich weiß, heute geht gar nichts weiter. Aber Küchenchef Sebastian holt noch beim Italiener nebenan ein paar Profiteroles zum Dessert, erst dann – und wenn er mir dazu einen Espresso macht – bin ich wieder aufbruchbereit.
 Okayokay. Ich gehe weiter. Überquere die Piaristengasse, schaue ein bisschen in das eher unterdekorierte Schaufenster des antiquarischen Schallplattenhändlers Moses-Records, staune darüber, dass der „Österreichische Gebirgsverein“ eine ganze Hausfassade für sich reklamiert und, nein, ist das nicht der griechische Meisterkoch, der hier, gleich hinter der Neubaugasse und dem lustigen Gummistiefelgeschäft, auf der Straße steht und mich fragt: „Gehst du auch gerade zum Nguyen?“ Weil hier, links neben „The Devil’s Right Hand“-Tattoos, befindet sich Wiens bester Vietnamese, und als ich dem Meisterkoch sage, nein, weil ich nämlich gerade beim „Goldfisch“ einen Snack genommen habe, antwortet er mit sichtbarem Unverständnis: „Na und? Dann nimmst Du hier eben auch einen Snack.“
 Ihr sollt wissen: Ein Snack kann auch aus drei oder vier Tellern bestehen, und der beste war die Banh Xeo Tom Heo, so heißt die Vietnamesische Palatschinke mit Garnelen und Hühnerfleisch. Dann passierte etwas Ungeplantes. Die geplante Reise über die Lerchenfelder Straße bergauf zum Gürtel wurde nur besprochen, aber nicht vollzogen. Weil Nguyen hatte Chuoi Chien, das sind gebackene Bananenrollen und Fritz Cola. Oder waren es doch die Sommerrollen und das Saigon Bier? Mit gutem Gewissen darf ich sagen: sitzengeblieben.

christian.seiler@kurier.at

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