L-a-n-g-s-a-m meiner Wege gehen
Ich gehe bergauf, hauf, und, hund, zwar, har, steil. Jetzt bleibe ich stehen. Hehen. Und atme einmal durch. Urch.Danke. Die Pause habe ich wirklich gebraucht.Mir doch egal, wie schnell dieser 20-Jährige den Berg hinaufläuft. Er steht schon drei Serpentinen höher und will wissen, ob eh alles okay ist. Ja. Superokay. Ich kann nur nicht diesen Berg mit seiner Steigung von 85 Prozent so hinaufrennen wie ein Steinbock, also wie du. Ich muss l-a-n-g-s-a-m meiner Wege gehen, weil ich bin nämlich schon erwachsen. Dann bin ich auch gleich, wo du jetzt bist, nur eben erst in zehn Minuten.Wir wollen zuerst auf die Bockhartseehütte, dann weiter zum Oberen Bockhartsee. Unten, das heißt auf dem Talboden des Nassfelds, das man besser unter seinem Künstlernamen Sportgastein kennt, 1.584 Meter hoch, hat mich Johannes gefragt, ob wir dem faden Fahrweg entlang hinaufgehen wollen oder die Abkürzung durch den Wald nehmen, und ich meine: fader Fahrweg? Kein Mensch will einen faden Fahrweg hinaufgehen. Diese Abkürzung allerdings auch nicht, jedenfalls nicht mit dem elastischen Schritt, den der junge, hagere Mann anschlägt, raumgreifend und kaum verzögert, wenn jeder Schritt einen halben Höhenmeter bewältigt. Denn das Weglein hinauf zur Hütte ist wie eine Stiege mit sehr hohen Stufen, aber ohne Geländer. Johannes ist das egal. Er marschiert mit der Selbstverständlichkeit, mit der eine Fliege eine Glasscheibe hinaufgeht: mühelos, dabei aber auch ein bisschen provokant; selbstbewusst, dabei aber auch ein bisschen deprimierend – für mich natürlich, für wen sonst?Für ihn ist alles in Ordnung. Er muss sich nur hie und da umdrehen und dem alten Sack zuwinken, dem dort unten, drei Serpentinen minus, das Wasser über die Stirn rinnt. Wetten, dass der Sack ein unschuldiges Lächeln versucht? Zwar weiß er, also Johannes, dass der Sack, also ich, weiß, dass er, also Johannes, weiß, dass er, also der Sack, nur so tut, als ob ihn äußere Umstände, also das Alter, davor bewahren, bergauf zu laufen wie ein 20-Jähriger. Aber man kann sich ohne Weiteres auf dieses Als-ob einigen. Unter Bergkameraden nennt man das Höflichkeit.Ach ja: Wir gehen dann an der Hütte vorbei, weil warum einkehren, wenn man beim Aufstieg nur zweieinhalb Liter geschwitzt hat, passieren auf einer grün bewachsenen Bergflanke den wunderschönen Unteren Bockhartsee, in dessen Wasser sich bereits die Steilhänge der Hohen Tauern spiegeln, und gehen weiter, durch leichtes, von Wasserläufen und Felsen geprägtes Gelände, zum Oberen Bockhartsee, der, man muss es sagen, in seiner unschuldigen Schönheit schwer unter Kitschverdacht steht, worüber Johannes und ich aber großzügig hinwegsehen.Wir werfen die Rucksäcke ab, ziehen die Schuhe aus und waten ins flache Wasser, das bestimmt angenehme zwölf Grad hat. Wuhu. Gegenüber, am anderen Ufer, schält sich gerade ein drahtiger Wandersmann aus der Funktionswäsche und geht, nächste Demütigung, tatsächlich schwimmen. Auf der Hütte werde ich mich furchtbar revanchieren. Mit meinen faden Geschichten.
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