Geh ma nach Minga

Alexandra Klobouk
Viktualienmarkt – Marienplatz – Sendlingerstraße – Platzl – Viktualienmarkt: 3800 Schritte

Ich gehe durch die Münchner Innenstadt und bin erstaunt. Irgendwo hier, rund um den Viktualienmarkt, muss eine Manufaktur für Lederhosenträger verborgen sein. Wo sollen sie sonst herkommen, die Typen jedes Alters, die ohne Hilfe den Weg zur nächsten Wirtschaft finden, den Herausforderungen der Großstadt sichtbar gewachsen sind, sich aber trotzdem und zwar ohne sichtbaren Widerstand in hirschlederne Knickerbocker werfen, als wären sie auf dem Dorfplatz von Ruhpolding?Einem ganzen Bataillon von denen folge ich unauffällig, was in München gar nicht so einfach ist, wenn man dunkle Straßenkleidung trägt, also der kollektiven Tarnung des Gamsbarts entbehrt. Wir gehen quer über den Markt mit seinen lebendigen Standeln, von denen sich der Naschmarkt eine Scheibe abschneiden könnte, dann teilt sich die Gruppe. Die einen marschieren Richtung Sedlmayr, das ist eines der Wirtshäuser, in denen die anbetungswürdigen Weißwürste der Metzgerei Wallner frisch aufgebrüht werden (um die Wurstkultur, ich muss es gestehen, beneide ich die Münchner; im Vergleich zu unserer Käsekrainer verhalten sich die Weißwürste wie Perlen zu Kaugummikugeln).

Die anderen gehen Richtung Marienplatz, wo sie das Rathaus passieren, ohne es eines Blickes zu würdigen. Ich werfe einen Blick auf den Rathausbalkon, wo gerade kein Spieler des FC Bayern steht, weil die Bayern ausnahmsweise nicht feiern, sondern irgendwo ein Spiel gewinnen müssen (um den FC Bayern beneide ich München auch ein bisschen, das gestehe ich als immer leidgeprüfterer Rapid-Fan), und dann sehe ich, wie die Lederhosen in die Rosenstraße einbiegen, auf dem Weg zum Rindermarkt, und eigentlich hätte ich mir erwartet, dass sie ein Hirschhornmessergeschäft aufsuchen oder eine Filzhornmanufaktur, aber nein, sie marschieren ohne zu zögern in den Apple Store, um ihre iPhones einer Frischzellenkur zu unterziehen.

Ich schlendere also weiter zum Rindermarkt, nehme dann die Sendlingerstraße, wo früher einmal die Süddeutsche Zeitung ihre Redaktion hatte (sie ist inzwischen längst an den Stadtrand gezogen). Ich mache einen Abstecher in die Asamkirche, die von außen ein bisschen schlicht aussieht, aber innen ein Feuerwerk des Spätbarock abbrennt.

München ist eine großartige Stadt. Wenn ich durch den Hofgarten spaziere, über die Theatinergasse promeniere, durch die Fünf Höfe streife, dann fällt mir vor allem auf, was es hier gibt, während es in Wien fehlt: eine Bar wie das Schumanns; einen Markt wie den Viktualienmarkt; eine Bierhalle wie das Weiße Bräuhaus; Weißwürste wie beim Sedlmayr; rote Schnürlsamthosen wie bei Eduard Meier (nein, das ist ein Witz: die fehlen mir nicht wirklich, würden aber zahlreichen Münchner Herren abgehen, die mit ihren Dackeln und sehr roten Schnürlsamthosen durch die Fußgängerzone ziehen und das Delikatessengeschäft Dallmayr ansteuern).

Also finde ich langsam zurück zum Viktualienmarkt und schaue, ob beim Sedlmayr endlich ein Tisch frei ist. Es riecht nach Schweinsbraten und nicht nach Zigaretten. Noch so ein Vorteil.

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