Die Akustik des Waldes. Autsch!
Ich gehe durch den Wald zwischen den beiden Weinviertler Ortschaften Kleinstelzendorf und Fahndorf. Die Strecke ist mir so gut bekannt, dass meine Beine den Weg von selbst finden und ich mit meinen Gedanken alleine sein kann. Jedenfalls mischt sich nicht das Orientierungszentrum übereifrig ein und fragt: Da vorne, Chef: links oder rechts abbiegen?Es ist warm. Gerade hat es geregnet. Wärme und Feuchtigkeit werden zu Dunst, und die Gerüche des Bodens vervielfältigen sich. Eigentlich ideales Schwammerlklima, aber dann dränge ich diesen praktischen Gedanken wieder zur Seite. Mit den Gedanken alleine sein bedeutet nämlich, nichts zu denken, sondern vielleicht eine Melodie zu pfeifen und ihr eine Geschichte abzugewinnen. Oder im Rhythmus der Schritte ein Muster zu entdecken, das zufällig mit dem Gedicht übereinstimmt, das ich in der Früh im Radio gehört habe. Vielleicht sortiere ich aber auch Zahlen und stelle, während ich ausschreite, komplizierte Berechnungen an, die viel gründlicher sind als Aufstellungen in den unvermeidlichen Excel-Tabellen auf meinem Laptop.Allerdings mischt sich jetzt in die imaginierten, mathematischen Klangwelten in meinem Kopf eine kleine Irritation. Ist es der Geruch nach Pilzen, der tatsächlich spukhaft über dem Waldboden schwebt, oder, autsch – nein, es ist eine Mücke, die zielsicher meinen schweißnassen Nacken angeflogen hat. Aber ich hab sie erwischt, die Landplage.Melodien im Kopf zu haben ist eines der großen Privilegien des Fußgängers, und nein, nur im Ausnahmefall würde ich dafür einen Kopfhörer an mein Handy anschließen. Es gefällt mir, wie ich Teil meiner Umgebung werde, der Akustik des Waldes angehöre, in dem die Geräusche der Blätter und Äste genauso zum Erlebnis werden wie die – nein, ich hab sie doch nicht erwischt! Killermücke. Oder? Nein, es müssen zwei sein, ich kenne doch diesen enervierenden Sound, wenn sich die Anfluggeräusche von zwei Gelsen übereinanderlegen und eine grauenvolle Schwebung erzeugen …Ich beschleunige meinen Schritt. Der Wald ist so schön wie selten, aber meine Aufmerksamkeit für ihn leidet gerade. Denn – nein, nicht schon wieder – die Mücken sind jetzt in den Angriffsmodus übergegangen, sie müssen schon lange auf einen schwitzenden, schlendernden Deppen gewartet haben – au, Treffer an der Wade – und – aber jetzt! Treffer meinerseits, und ja, das ist Blut auf meiner Hand, mein eigenes Blut, haha, aber kein zweites Mal, du Widerling – ein bisschen schneller geht es noch, ohne dass ich zu laufen beginne, einmal tief Luft holen – spppt, Hrrrrgt, jetzt hätte ich die Scheißmücke fast eingeatmet, husthust, spuckspuck – aber da vorne wird es schon wieder hell, dort warten der Waldrand und das offene Feld und der beständige Wind von Westen, der so stark ist, dass es Teufel wie euch einfach wegweht, nach Osten, Wien, Moskau, Sibirien, dann könnt ihr schauen, wo ihr bleibt … Ich bin jetzt draußen auf den Feldern. Es ist wunderbar hier. Nur mein Nacken juckt. Und die Wade. Was wollte ich eigentlich erzählen?
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