Christian Seilers Gehen: Salzburg, Stadt der Musik.
In dieser Geschichte spielt ein Eisenhändler die Hauptrolle. Sein Name ist Georg Josef Robinig, er durfte sich den Titel „Reichsedler von Rothenfeld“ aufs Briefpapier drucken lassen. Der Grund, warum ich etwas über den Herren wissen wollte, obwohl er schon im Jahr 1760 das Zeitliche gesegnet hat, ist eine überaus prachtvolle Rokokofassade, vor der ich auf meinem Spaziergang durch das kulturhistorisch nicht unbedingt so bekannte Salzburger Viertel Schallmoos zu stehen kam.
Ein vierstöckiges Haus, die Fenster – vor allem die der Beletage – von aufwendigen, verspielten Stuckverzierungen eingefasst. Die Fassade weiß, nur die vorspringenden Strukturelemente von edlem Altrosa, und über dem Balkon im ersten Stock zwei Wappen und ein ziemlich verzweifeltes Christuskind mit dem ebenfalls ein bisschen verzweifelten Josef.
Die beiden Wappen geben Auskunft über die Geschichte des Hauses. Das eine führt zu den Anisern, einem reichen Salzburger Handelsherrengeschlecht, das andere zum Eisenhändler Robinig: Dieser hatte – der Verdacht lag nahe – nämlich am 12. Februar 1742 die Aniser-Tochter Viktoria zur Frau genommen, bezeugt von zahlreichen Gästen der allerbesten Gesellschaft im Salzburger Dom.
Für die standesgerechte Unterbringung der jungen Familie wurde ein Haus ausgewählt, das etwas im Abseits stand. Der sogenannte Kochhof war knapp nach der Entwässerung des Schallmooses durch Erzbischof Paris Lodron am Ufer des Lämmererbachs gebaut worden, an einer der zentralen Entwässerungsachsen des bis dahin völlig unberührten Moorgebiets. Robinig, der im Lungauer Murwinkel ein Bergwerk betrieb, kaufte den robusten, etwas rustikalen Kochhof und ließ ihn mit einer Rokokofassade versehen, um nicht zu sagen aufpeppen, man gönnt sich ja sonst nichts. Immer, wenn ich in Salzburg barocke Entdeckungen mache, denke ich automatisch an Wolfgang Amadeus Mozart: Ja. Mozart war hier auch zu Gast, weil er nämlich mit den vier Kindern der Robinigs gut befreundet gewesen sein soll. Und natürlich stelle ich mir jetzt vor, wie neben heiterem Kindergelächter aus den offenen Fenstern auch ein paar auf dem Klavier gespielte Melodien in die Landschaft entkommen, deren Zauber selbst dem vorbeistapfenden Torfstecher einen Schauer des Entzückens über den Rücken jagt …
Ich wanderte weiter in Richtung Kapuzinerberg, und würde ich in der Öffentlichkeit Kopfhörer tragen, ich würde jetzt Mozarts Klaviersonate Nr. 10 in C-Dur KV 330 in der unübertrefflich heiteren Version von Friedrich Gulda laufen lassen und beschwingt Richtung Schallmooser Hauptstraße gehen, wo sich im Schatten des steil aufsteigenden Berges das Tanzzentrum der Salzburg Experimental Academy of Dance befindet. Dort stand gerade eine Tür offen, und aus der Tiefe des Raumes strömten die elektronischen Tangoklänge des Gotan Projects und vermischten sich ganz wunderlich mit meinen Mozart-Imaginationen. Ein paar Häuser weiter, im Rockhouse, probte eine Schwermetallpartie, der Schlagzeuger meinte es gerade ernst. Ganz klar. Salzburg, Stadt der Musik.
christian.seiler@kurier.at
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