Christian Seilers Gehen: Ausflugsziele meiner Kindheit

Christian Seilers Gehen: Ausflugsziele meiner Kindheit
Schlosspark Laxenburg Eingang – Concordia Tempel – Wasserfall – Turnierplatz – Goldfischteich – Bootsverleih – Franzensburg – Marianneninsel – Rittergruft – Parkausgang: 11.000 Schritte

Es ist ein Vorgeschmack auf diesen Sommer, als ich durch den Schlosspark Laxenburg gehe. Es ist ein Vorgeschmack darauf, Orte der Nähe, die aus unerfindlichen Gründen nur mehr am Rand der Erinnerung ihren Platz haben, von Neuem aufzusuchen – und sie vollkommen verändert zu finden, obwohl sich nichts anderes verändert hat als unsere eigene Wahrnehmung. Laxenburg war eines der Ausflugsziele meiner Kindheit. Hier ging ich manchmal mit meinem Vater spazieren, wobei ich mich kaum mehr an diese Spaziergänge erinnern kann – kein Kind, fürchte ich, verbindet Spaziergänge mit etwas Beglückendem, es sei denn, sie führen zu einem Ziel. Der Schlosspark hat freilich ein besonders spektakuläres zu bieten, eine auf einer Insel liegende Ritterburg, die nur mit einer Fähre – einer echten Fähre! – angesteuert werden kann. Für die Benützung dieser Fähre war ein kleines Entgelt fällig – heute sind es 70 Cent für die vielleicht 45 Sekunden währende Überfahrt –, bei deren Bezahlung mein Vater sich großzügig zeigen konnte. Dafür bekam ich auch ein Ticket, auf dem die Türme und Dächer der Franzensburg abgebildet waren, das konnte ich dann liebevoll als Lesezeichen für meine Prinz-Eisenherz-Comics verwenden.

Die Franzensburg scheint mir heute eher als Ansammlung von neogotischem Historismus bemerkenswert, als architektonische Annäherung an das verklärte Zeitalter der edlen Ritter. Das war schon das bestimmende Motiv, als sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet wurde: die Wasserburg sollte die Herrschaft, die sich hier verlustierte, an die Zeit der großen Heldenepen erinnern. Das Motiv wird an anderen Ecken des Schlossparks wiederholt, wenn auch nicht so spektakulär.

Schloss und Schlosspark waren bis ins Jahr 1918 bevorzugte Aufenthaltsorte der Habsburger. Franz-Joseph und Sisi verbrachten hier ihre Flitterwochen, Karl I., der letzte Kaiser, residierte hier fast durchgängig, bis er nach Madeira ins Exil ging. An „Sisi, Franzl und Rudolf“ erinnern jetzt drei „Kaiserliche Laufrunden“, was ich als willkommene Anmaßung empfinde – natürlich folge ich der Sisi-Runde, der längsten Route durch den riesigen Park, sehe den Concordiatempel, den Wasserfall, überquere die Gotische Brücke und mache beim Bootsverleih eine Pause, um einen Almdudler zu trinken, bevor ich zum Wasserschloss weitergehe.

Natürlich nehme ich auch diesmal die Fähre. Sie ist zum Glück nicht lange genug unterwegs, dass ich melancholisch werden könnte. Stattdessen muss ich mir den Kopf darüber zerbrechen, warum an so schönen Orten immer so schlechte Lokale sein müssen. Der Geruch nach altem Fett vertreibt mich schnell aus der Meierei.

Dafür gehe ich jetzt kreuz und quer durch den Park, den ganzen Tag lang, an Kanälen und Teichen entlang, werde von unzähligen Parkbänken dazu eingeladen, zu verweilen und das wohlkalkulierte Naturschauspiel wirken zu lassen. Die riesigen Platanen am Wasser rühren mich tief. Die Blutbuche am Goldfischteich ist ein Museumsstück der schönsten Orte der Nähe. Wir müssen sie nur wiederentdecken.

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