Blutspuren
Ich gehe entlang einer Blutspur, und nein, ich befinde mich nicht etwa im Kriminalmuseum, sondern auf einem der schönsten Wanderwege, die man dieser Tage gehen kann.
Zuerst zum Wanderweg: Der ist zusammengestellt aus Weg 16 und 19 des, zugegeben, etwas unübersichtlichen Wanderwegführers von Drosendorf im nördlichen Waldviertel, und führt von Drosendorf Zentrum – damit ist der auf dem Hügel sitzende historische Ortsteil gemeint – nach Drosendorf Altstadt, von dort weiter an Friedhof und Kirche vorbei an den Waldrand und in das höchst idyllische Tälchen, das vom Thumeritzbach durchflossen wird. Hier lassen sich an jeder beliebigen Stelle wunderbare Fotos für Naturkalender aufnehmen. So verschwenderisch gehen Wald und Wasser mit ihrer Schönheit um. Mehrere Brücken überqueren den Thumeritzbach. Sie sind, sagen wir, unkonventionell und stärken die Freude am Abenteuerspaziergang. Nach der Überquerung des Baches geht es nach ein bisschen Pfadfinderei über einen Wirtschaftsweg zurück Richtung Drosendorf, man geht dann ein bisschen der alten Bahnlinie entlang, die jetzt "Erlebnisbahn" heißt, weil sie bis auf besondere Gelegenheiten längst stillgelegt ist.
Es ist Winter im nahenden Frühling. Der russische Kältehammer hat zugeschlagen. Kälte, Eis, Schnee. Weil ich Abwechslung liebe, gehe ich den Thumeritzweg, wie er seit heute heißt, weil ich ihn so genannt habe, in der Gegenrichtung zu meiner Beschreibung, also zuerst der Bahnlinie entlang Richtung Maria Schnee, und hier stoße ich auf die Blutspuren.
Es sind kleine Blutstropfen, die alle halben Meter im Schnee zu sehen sind. Zuerst denke ich, dass sich vielleicht ein Hund am Fuß verletzt haben könnte, aber der Fährtenleser in mir erinnert mich daran, dass es im Schnee dann auch Spuren von Hundepfoten geben müsste. Ein Mensch mit Nasenbluten und sehr breitem Becken? Oder vielleicht der Jäger mit seiner tropfenden Beute auf dem Autoanhänger? Weil die Tropfen eh den Weg markieren, den ich gehen möchte, beschließe ich, das Rätsel aufzuklären. Der Weg führt jetzt hinunter in den Wald, die Blutspuren auch. Ich möchte nicht verhehlen, dass mir ziemlich Absonderliches durch den Kopf ging, bis ich nach einem Kilometer einen Holzplatz erreiche, an dem die Blutspuren vom Weg abbiegen.
Also biege ich auch ab, aber ich muss nicht weit gehen, bis ich zuerst einen Hochstand sehe, der eine kleine Lichtung überblickt und auf der Lichtung eine Wildfalle: einen Käfig mit relativ kleiner Öffnung, über dem eine Falltür angebracht ist. Wenn das Tier, das hier gefangen werden soll, im Käfig den Köder sucht – überall liegen Maiskörner – löst es den Mechanismus aus, der die Falltür zufallen lässt.
An einem nahen Baum hängt eine Kamera, die den Käfig im Bild hat. Der Jäger sieht also, wann ihm ein Stück Wild in die Falle gegangen ist. Er kann mit dem Auto bis zum Käfig fahren und dort – Blut im und vor dem Käfig legen davon Zeugnis ab – seiner Arbeit nachgehen. Hmm.
Lederstrumpf, denke ich mir beim Weitergehen, hätte das anders erledigt.
Kommentare