Frohe Ostern! So läuft der Hase
Ob Maler in der griechischen Antike, Albrecht Dürer oder Jeff Koons: Für Künstler war der Hase schon immer ein beliebtes Symbol. Wie er zum Osterhasen wurde, ist nicht ganz sicher.
Aber der Kirche kommt der nette Volksbrauch mit dem Eier verteilenden Langohr nicht ganz ungelegen.
Er ist flink, fruchtbar und äußerst vielseitig: der Hase. Sicher, andere Tiere mögen auf Leinwänden, Zeichenblättern, in Gips oder in Marmor um einiges edler oder erhabener wirken. Pferde etwa, Hunde ebenso, ganz sicher auch Löwen sowie verwandte Wildkatzen. Oder andere Wildtiere. Aber der Hase hat allem anderen Animalischen eines voraus: Er erregt weder Furcht, noch ringt er einem Respekt ab, ihn mag man einfach. Ganz so wie er ist. Von welchem Menschen lässt sich schon so etwas behaupten? Dabei gibt es von diesem kleinen, höchstens 70 Zentimeter großen Tier etwa 55 verschiedene Arten.
"Mein Name ist Hase..."
Auch nicht unwichtig ist, dass der fellige Geselle allerorten präsent ist. In jedem Land, auf jedem Kontinent und sogar in vielen Städten. Nur in der Antarktis nicht. Mit einem Wort: Ihn kennt man einfach. Und er braucht auch nicht extra vorgestellt zu werden. Gerade deswegen wurde der überlieferte Spruch „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ zum geflügelten Wort. Sein Urheber hingegen, der Jus-Student Victor von Hase, der 1855 mit diesen legendären Worten einem Kommilitonen aus der Patsche helfen wollte, hat es nur – aber immerhin! – zu dieser einen Fußnote der Geschichte geschafft.
Ein Hase als Symbol
Mona Lisa, Venus von Milo und Michelangelos David müssen ihr Dasein als bekannteste Kunstwerke der Welt mit Albrecht Dürers „Der Feldhase“ teilen. Ein großer Sprung für so ein kleines Bild. Mit einem Format von lediglich 23 cm mal 23 cm übersieht man die Naturstudie aus Nürnberg beinahe. Entstanden ist die Aquarellmalerei im Jahr 1502, also fast zeitgleich mit dem marmornen David und genau ein Jahr vor Leonardo da Vincis „Mona Lisa“. Aber damit hat sich’s mit den Ähnlichkeiten.
Oder doch nicht. Ob Mona Lisa ahnte, dass Männr einmal auf die Idee verfallen würden, junge Frauen als „Hasen“ (in der Alten Welt) oder „Bunnies“ (in der Neuen Welt) zu bezeichnen?
Bugs Bunny und der Osterhase
Wie wahr. Immerhin hatte auch die Comic-Strip-Figur des anarchischen Bugs Bunny ihr Stelldichein mit dem Osterhasen. Im Jahr 1977 war das, am Höhepunkt eines Jahrzehnts, in dem noch alles möglich schien. Wenn das leichtlebige Langohr in den Animationsabenteuern sonst anderen gerne Streiche spielte, in die „Easter Special“-Episode griff Bugs Bunny seinem Verwandten bereitwillig unter die Pfoten. Der Osterhase war nämlich schon zu schwach, um all die bunten Eier in ihre Nester zu legen.
Wobei, ein Hase und schwach, das gibt’s doch gar nicht. Sinneslust und Fruchtbarkeit sind dem Nesttier nicht bloß angedichtet, ein Weibchen kann im Jahr bis zu 15 Junge werfen. Ob das eine Erklärung dafür ist, dass Hugh Hefner die Damen in seinem „Playboy“-Imperium „Bunnies“ nannte? Muss nicht sein. Der vor drei Jahren verstorbene Verleger und studierte Psychologe behauptete, dass er damit dem Gründer jener Bar ein Denkmal setzte, die er als Student der University of Illinois besuchte: Bernard Fitzsimmons und sein „Bunny’s Tavern“.
"White Rabbit" in Woodstock
Kann aber auch sein, dass Hugh Hefner in seinen Erinnerungen einiges durcheinanderbrachte. Wie Grace Slick, Sängerin von Jefferson Airplane und erste Frontfrau der Rockmusik. Die psychedelische Hippie-Hymne „White Rabbit“ stammt aus ihrer Feder und bezieht sich auf das eigenartige Kaninchen in Lewis Carrols „Alice im Wunderland“. In ihrer Autobiografie „Somebody to Love?“ behauptet Grace Slick, dass die kleine Alice von den Pilzen, die sie in dem Kinderbuch naschte, ganz high war.
Eine Interpretation, die das Publikum in Woodstock sicher geteilt hätte. Denn 1969 waren wohl gut 400.000 Menschen eingenebelt, als die Sängerin ebendort das weiße Kaninchen besang.
Wenn Symbole Haken schlagen
Von wüsten Umständen war auch der Auftritt des Hasen in „Donnie Darko“ begleitet. Der Film über die außersinnlichen Wahrnehmungen eines US-Teenagers hatte als „Stargast“ einen stummen und fast drei Meter großen „Freund“ in einem diabolischen Hasenkostüm vorzuweisen. Die Kinopremiere im Oktober 2001 aber fiel dem Schock nach 9/11 zum Opfer, da darin auch ein Flugzeugabsturz eine Rolle spielt.
Im Vergleich dazu verläuft der „Auftritt“ eines anderen prominenten Hasen der populären Kultur richtig harmonisch: das Traumgespinst in „Mein Freund Harvey“, dem Bühnenklassiker, der unter anderem mit James Stewart und Heinz Rühmann verfilmt wurde.
Zeitlos faszinierend auch die Beziehung eines Menschen zu dem Wesen im Fell auch in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“. Und geradezu unvergesslich in manchen Ohren die Worte, die Jessica an Roger Rabbit richtete: „Ich habe dich mehr geliebt, als irgendeine Frau jemals ein Kaninchen geliebt hat.“
Traumpreis für einen Hasen
Stimmt. In der Kulturgeschichte kennt man sonst nur Männer, die hinter diesem Objekt der Begierde her sind. Wie in einem Bild aus der griechischen Antike, das einen Mann auf einer Liege zeigt, der verträumt einen unter ihm hockenden Hasen streichelt.
Apropos Traum. Dieser erfüllte sich im Vorjahr für Jeff Koons, den erfolgreichsten Künstler der Gegenwart. Neben einem Hundewelpen („Puppy“), Tulpen sowie Skulpturen von der früheren Ehefrau Ilona Staller (Ex-Pornodarstellerin Cicciolina) und Michael Jackson hat der Vertreter der Pop-Art ebenso mit einem „Rabbit“ auf sich aufmerksam gemacht. Und das schon im Jahr 1987.
Es handelt sich dabei nicht um ein gewöhnliches Kunstwerk. Sein knapp ein Meter hoher „Rabbit“ besteht aus einer stählernen abgerundeten Oberfläche, an der es auf den ersten Blick nichts zu entziffern gibt.
Einem anonymen Käufer war „Rabbit“ im Vorjahr bei Auktion von Christie’s umgerechnet 81,2 Millionen Euro wert. Der – im Gegensatz zum „Hasen mit den Bernsteinaugen“ – gesichtslose Hase wurde so zum teuersten Werk eines lebenden Künstlers.
„Dreht der Kunstmarkt jetzt völlig durch?“, fragte sich damals besorgt ein Kritiker. Genauso gut könnte man argumentieren, dass jetzt endlich alle wissen, wie der Hase auf dem Kunstmarkt läuft. Irgendwie seltsam.
„Rabbit“ lebt vom spiegelnden Material, „weil es den Zuschauer in seiner Selbstgewissheit bestärkt“ (Koons). Auch in Dürers Feldhase spiegelt sich etwas: ein Fenster im rechten Auge. Das Fenster zur Welt?
Gut möglich, dass zumindest dies das Ei des Kolumbus, äh, Osterhasen ist.
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