Frauenheld, Filmstar, Finsterling
Wie gern wäre er 100 Jahre alt geworden! Barbara, heute 88, war Franks vierte und letzte Ehefrau, vom 11. Juli 1976 bis zu seinem Tod am 14. Mai 1998. In ihrem Vorwort zum aktuellen Prachtband Frank Sinatra – Bilder seines Lebens (Knesebeck-Verlag) verrät sie: „Er hätte es höchst amüsant gefunden, entgegen aller Erwartungen so lange zu leben.“ Nun, der Entertainer des Jahrhunderts hatte im Spätherbst seines irdischen Daseins gelassen bilanziert: „Man lebt nur einmal, aber bei meiner Art zu leben, ist einmal genug.“ Einen Anflug von Einsicht, wenn auch schon bedenklich nahe dem Einsendeschluss, birgt sein Satz: „Wenn ich gewusst hätte, wie lange ich lebe, hätte ich besser auf mich aufgepasst.“ Für die gut sieben Jahrzehnte davor galt nämlich Raubbau on the Rocks: „Ich werde aufhören zu trinken und zu rauchen – aber nur unter der Dusche.“ Humor extradry kam ihm flüssig über die Lippen: „Mir tun Menschen leid, die nichts trinken, weil sie sich den ganzen Tag nie besser fühlen als am Morgen.“ Am Sterbebett im Cedars-Sinai-Hospital von Los Angeles flehte ihn Barbara an: „Kämpfe!“ Und The Voice (Spitzname Nr. 1) antwortete: „Ich verliere.“ Eine Lungenentzündung und der zweite Herzinfarkt binnen weniger Monate gewannen. Ihm zu Ehren erloschen in Las Vegas für drei Minuten alle Lichter der Stadt und das Empire State Building von New York erstrahlte für Ol’ Blue Eyes (Spitzname 2) ganz in Blau.
Ehe Francis Albert Sinatra, geboren am 12. Dezember 1915 in Hoboken/New Jersey, mit weißen Orchideen um die Hand Barbaras angehalten hatte, war er freilich mit weit weniger romantischen Onelinern aufgefallen. Etwa: „Das Einzige, was sich an einer Frau durch die Ehe ändert, ist ihr Name.“ Oder: „Keiner hat eine Vorstellung von Glück, bevor er nicht verheiratet ist, aber dann ist es zu spät.“ Und schließlich, fast schon versöhnlich: „Ich bin in einem Alter, in dem ich mir meine Witwe sehr genau aussuchen sollte.“ Fast scheint es, als hätte der notorische Womanizer dank Barbara seinen Frieden mit den Frauen gemacht. Sie schwärmt noch heute, dass sie sich „keine Sekunde langweilte“ und dass er ihr zu Hochzeits- und Geburtstagen stets im ganzen Haus Liebesbriefe hinterließ, immer unterschrieben mit: „Your Italian Lover.“
Die atemberaubende Anziehungskraft, die Frank Sinatra auf Frauen wie Männer ausübte, ließ Freund und Feind zeitlebens rastlos rätseln.
Sein erster Bandleader, Harry James, meinte Mitte der 1930er über den blutjungen Beistrich von einem blassen Barden (1,70 m): „Er sah aus wie ein nasser Lappen, aber er hielt sich für den Größten.“ Benny Goodman erinnerte sich: „Er wog höchstens 50 Kilo, zehn davon allein die Haartolle.“ Doch wenn er sang, kreischten die Mädchen mit den weißen Söckchen in den Sandalen (Bobbysoxers). „Sie ließen ihre Tanzpartner stehen und versammelten sich vor ihm. Er war so dünn, dass ihn der Mikroständer verdeckte“, schrieb ein Kritiker. Ein Barbesitzer meinte voll Wonne der Empörung „Was seine Stimme mit den Frauen anstellt, ist unmoralisch“ und verpflichtete ihn für Monate. Der renommierte New Yorker stellte fest: „Für Sinatra ist ein Mikrofon wie eine Frau, die geküsst werden will.“ Und ein Filmrezensent analysierte: „Der schmächtige, unschöne Schnulzenheini hat ein unglaubliches Gespür für Blicke, Gesten und Stimmfärbung, aus denen Zärtlichkeit, Unsicherheit, Schwäche, Erschöpfung und Verzweiflung sprechen – eine liebenswerte Unzerstörbarkeit.“ Shirley MacLaine beobachtete ihn gern in Gesellschaft echter Gangster: „Das waren Männer, die andere umbrachten, wenn sie wollten. Aber Frank berührte Menschen. Und er berührte durch die universelle Sprache der Musik die Herzen von Mördern. Das wusste er auch.“ Seine Nähe zu Mob & Mafia war FBI-aktenkundig und hatte doch nur eine Macho-Attitüde als Motiv: Er, die halbe Portion aus einfachsten Verhältnissen, wollte als ganzer Kerl respektiert werden, den man nie wieder ungestraft herumschubsen durfte. Als Sohn eines Preisboxers hatte er sich von klein auf bis ins mittlere Alter mit Vorliebe geprügelt. Die Narbe am Kinn rührt aber, entgegen mancher martialischer Mär, nicht von einem Faustkampf, sondern von der Zangengeburt, bei der ihn der Arzt verletzt hatte. „Stopp!“, ging Tommy Dorsey einmal dazwischen, als sich Sinatra und Buddy Rich im Staub wälzten, „zieht sofort die Jacken aus, wir müssen heute noch auftreten!“
Sein grundlegendes Thema, on oder off Stage oder Screen blieb die Einsamkeit und der Versuch, sie zu überwinden – von That’s Life über Strangers in the Night bis zu My Way. Sein Idol, Bing Crosby, gestand ironisch: „Einen wie ihn gibt es nur einmal – warum nur tauchte er zu meinen Lebzeiten auf?“
Auf Frank Sinatras Grabstein steht: The Best is Yet to Come. Die Botschaft nahmen seine Freunde ernst. Sie warfen ihm folgende Gegenstände nach: Spielkarten, flaschenweise Jack Daniel’s, Camel-Pakete, ein Zippo-Feuerzeug und Kaugummi für den frischen Atem. Witwe Barbara wird seine letzte Ruhestätte wie jedes Jahr am 10. Dezember besuchen und ihm zuflüstern: „Alles Gute, Frank. Schlaf warm.“
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