Coronakrise: Missbrauchsrisiko in den Familien steigt

Coronakrise: Missbrauchsrisiko in den Familien steigt
Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić, macht sich Sorgen um Frauen und Kinder.

Kindergärten und Schulen zu, Eltern und Kinder den ganzen Tag zu Hause - die Ausgangs-Beschränkungen in der Corona-Krise lassen die Sorge vor häuslicher Gewalt wachsen. Kinder und Frauen sind derzeit in den eigenen vier Wänden einem höheren Missbrauchsrisiko ausgesetzt, sorgt sich die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić. Neben dem Gewaltrisiko könne die Krise Frauen auch wirtschaftlich treffen und ihre finanzielle Unabhängigkeit bedrohen.

Berichte aus Frankreich zeigen, dass viele Frauen wegen der Beschränkungen keine Notrufstellen anrufen könnten, berichtet Pejčinović Burić. Bei den Hilfe-Telefonnummern gingen gut viermal weniger Anrufe ein als normalerweise. Dafür hätten Sofortnachrichten im Internet an Hilfsorganisationen in ganz Europa zugenommen. Das könne bedeuten, dass Täter ihre Opfer davon abhalten, telefonisch Hilfe zu suchen.

Gefährlicher als Weihnachten

In Dänemark habe man beobachtet, dass die Zahl der Frauen gestiegen sei, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchten. Überall sind die Experten alarmiert. „Wir müssen leider mit dem Schlimmsten rechnen“, sagt Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender der deutschen Opferschutzorganisation Weißer Ring. „Die Corona-Krise zwingt die Menschen, in der Familie zu bleiben, hinzu kommen Stressfaktoren wie finanzielle Sorgen und Zukunftsunsicherheit.“

Die Opferhelfer würden das Problem von Festtagen wie Weihnachten kennen, so Ziercke. „Wenn die Menschen tagelang zu Hause sind, gehen die Fallzahlen in die Höhe. Die Kontaktsperre wegen Corona dauert aber sehr viel länger als Weihnachten, die Stressfaktoren sind auch größer.“

Experten warnen zudem, dass die Ausgangsbeschränkungen auch für Kinder gefährlich werden können. Denn dort, wo es schon Gewalt gebe, werde sie noch einmal schlimmer, erklärt die Leiterin des Lehrstuhls Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität des Saarlandes, Tanja Michael. Nach der Schließung von Kindergärten und Schulen sowie weitgehenden Kontakt-Verboten wegen der Corona-Pandemie seien Familien unter sich.

In Gefahr auch die Kinder

„Die Täter haben jetzt viel mehr Zugriff auf die Kinder, und die Kinder haben weniger Möglichkeiten, nach außen Signale zu senden, dass etwas nicht stimmt“, so die Professorin. Hinzu komme, dass die Täter in der derzeitigen Situation vermutlich „noch schlechter gelaunt sind als normalerweise“. Aus Wuhan in China, wo das Coronavirus zuerst grassierte, gebe es Untersuchungen dazu: Dortige Frauenorganisationen hätten in der Quarantäne-Zeit dreimal so viele Opfer von häuslicher Gewalt registriert. Zudem habe die Polizei doppelt so viele Notrufe von Frauen bekommen.

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