„Freuen wir uns für Bruder Richard“

Über die Wärme im Winter des Alters

Meine Familie hat viele seltsame Obsessionen und eine gilt dem Herrn Lugner. Die Opas, beide Handwerker, irritiert beständig, was ein Baumeister im Fernsehen zu suchen hat. Die gleichaltrigen Omas schämen sich so süß fremd, dass sie rote Backerln kriegen. Und meine hundert Onkels erzählen alle, dass ihnen Herr Lugner höchstpersönlich in der Lugner-City beim Ausparken geholfen hätte. Am Wochenende waren wir alle ganz aufgeregt, denn der Herr Lugner hat geheiratet. „Der alte Taterer mit einer, die was so alt is wia du!“, exklamierten die Omas. „Der sollt lieber auf einer Baustell’ sein“, wetterten die Opas. „Aber super ausparken hat er mir geholfen“, merkte der Chor der Onkels an, ehe plötzlich der Herr Pfarrer im Wohnzimmer stand. Wir erschraken, die Tür war eigentlich verschlossen, doch wessen Chef übers Wasser schreitet, ward von einer verschlossenen Tür noch selten gehindert.

Der Herr Pfarrer lud sich drei Stücke Ameisenkuchen auf, und als sich die Omas weiter über Herrn Lugner echauffieren wollten, hustete er patzige Kuchenbrösel aus: „Liebe Schwestern, das Alter ist eine Strafe, muss man es alleine ertragen. Freuen wir uns für Bruder Richard, dass er eine Gefährtin gefunden hat.“ Um das zu untermauern zählte der Pfarrer all die Altbauern aus dem Dorf auf, die die rumänischen Pflegerinnen ihrer verstorbenen Gattinnen geehelicht hatten, sowie, was die lustigen Witwen mit ihren Zivildienern anstellten, und nachdem er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, verkündete er stolz: „Jeder sollte Gemeinschaft im Alter suchen, und in diesem Sinne entschuldigt mich. Ich habe vor, heute noch ein Nonnenkloster zu besichtigen, um gute Gesellschaft zu finden, die Wärme im Winter des Alters spendet.“ Amen, sagten wir, und sich freudig die Hände reibend zog er von dannen, der Herr Pfarrer.

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