Erzfeind

In der Übergangszeit zwischen Herbst und Winter, jenen kalt-nassen Tagen, an denen man beim ersten Schritt außer Haus bereut, aufgestanden zu sein, fallen mein Hund und ich in die Winterstarre; wir liegen auf dem Sofa und schauen tagelang TV-Serien. Zurzeit sind wir süchtig nach Sherlock, einer BBC-Serie, die Sir Arthur Conan Doyles legendäre Detektiv-Figur ins heutige London versetzt. Diese Woche sagte Dr. Watson: Was, Herr Sherlock, Sie haben einen Erzfeind? Wer bitte hat heute noch einen Erzfeind? Ach Dr. Watson, schrie ich den Bildschirm an, selbst ich habe einen Erzfeind! Einen ganz garstigen sogar! Mein Erzfeind ist berechnend, er kennt meine Schwächen. Er weiß meine Vorlieben und Interessen, war in meinem Wohnzimmer, in meiner Küche, in meinem Bett – für ihn bin ich gläsern. Er beobachtet mich, egal wohin ich gehe. Er strebt nach der Weltherrschaft, will alle Konkurrenz zerstören, um der einzige zu sein, der uns mit dem versorgt, das uns glücklich macht. Er wünscht, dass wir an ihm hängen wie ein Süchtiger an seinem Dealer – damit er entscheiden kann, was er uns zu welchem Preis gibt. Seine Anwälte erfinden Tricks, um nur ein Brösel Steuern in Luxemburg zu zahlen, während seine Arbeiter im Keller hausen. Er ist wie der Pate, macht Angebote, die man nicht abschlagen kann, und bringt dich in eine Abhängigkeit, aus der er dich nicht mehr entlässt. Viele Freunde habe ich schon an ihn verloren. Dabei ist er ein körperloses Gespenst, das ich nicht zum Duell herausfordern kann. Aber ich gebe nicht auf, jeder Tag ein neuer Kampf. Die Waffe ist die Entscheidung gegen ihn: dass ich die DVD mit Sherlocks Abenteuer in dem Comic-Laden um die Ecke kaufte, und zwei Sir Arthur Conan Doyle-Bücher bei der kleinen Buchhändlerin in der Straße. Mein Erzfeind, er heißt amazon.de, und heute beginnt die wichtigste Schlacht des Jahres: das Weihnachtsgeschäft.

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