Multimedia Spezial

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Was jetzt noch kommt ist Spaß. Unterhaltsam, lässig und wohl immer wieder erstaunlich. ABER: Die vielleicht wichtigste Show im Rahmen des ESC ist gelaufen. Denn gestern war der Abend für "alle". Was hat die erhoffte große Werkschau der österreichischen Musik gebracht?

Ich hab mir die Kiste schwer vergrippt mit der Liebsten, dem Sohnemann und der Schwiegermutter im Wohnzimmer vor dem Fernseher gegeben. Freitagabendunterhaltungsklassiker quasi. Und? Schwer beeindruckt. Ehrlich. 16 Bands, quer durchs heimische Gemüsebeet, die freundschaftliche Atmosphäre war durchaus spürbar, auch die Freude und das Engagement, mit der die Musiker und Musikerinnen bei der Sache waren. Dass einige sich mit der Songauswahl verkalkuliert haben oder den Zauber, den sie bei einem intimen Waschsalon-Konzert entfalten, auf der riesigen ORF-Bühne nicht hunderprozentig rüberbringen konnten - ja, das ist eben so. Aber das ist legitim, wie ich finde, wenn's darum geht, eine möglichst breite Auswahl an österreichischen Musikschaffenden auf eine gemeinsame Hauptabendbühne zu bringen...

Persönlich leid getan hat's mir vor allem um Lemo, der eine wirklich überzeugende Ballade abgeliefert hat. Um Clara Blume natürlich, deren Charisma meiner Meinung nach unübertrefflich ist, auch wenn sie gefühlt an diesem Abend zu viel wollte. Renato Unterberg - und ja, die Mizgebonez, die durchaus das Zeug zur österreichischen Multikulti-Antwort auf Deichkind haben. Smart, witzig UND sexy - you're so right about the red dress, Anna!! Da hoff ich doch, dass ich demnächst noch viel hören werde. Ich sage nur "Duck Face"...

Aber natürlich ist meine Meinung ja die unwichtigste im beinahe repräsentativen Sample meines Wohnzimmers. Ich bin ja nicht gaaanz unvoreingenommen... Das Wichtigste: die Schwiemu fand den Abend genauso toll wie die Liebste, bei etlichen Bands waren wir drei sogar sowas von eins - The Makemakes, Celina Ann, Folkshilfe, jaaa, die MÜSSEN weiter! "Was ist mit Renato Unterberg?", sagt die Liebste, "der war doch richtig super!", und Karim, mein Fünfeinhalbjähriger, der zur Feier des Anlasses eine ausgedehnte Aufbleibverlängerung ausgestellt bekam, ist nun bekennender Kommando-Elefant-Fan. Er ist seit jeher sehr Groove-fixiert. "Haben die nicht gewonnen?", fragte er am Ende mit zwei Tränen in den Augen. Nein, leider, wobei ich das Gefühl habe, dass Nazar mit seiner Einschätzung nicht ganz falsch lag: "Geil, aber wollen die wirklich zum ESC?" Also Leute, schaut euch so viele Kommando-Elefant-Konzerte an, wie ihr könnt. Mit dem Bass auf echter Betriebslautstärke blasen die euch richtig um.

Jetzt ist es natürlich so, dass gerade mein Familienverband als Testgruppe den üblichen Unkenrufern Futter geben wird. Weil den einen sowieso und ohne genau zuzuhören das Gebotene durch die Bank zu wenig ESC-tauglich ist, während die strenge Geschmackspolizei ein schmallippiges "viel zu angepasst" konstatiert.

Kann ja auch nicht gut sein, wenn's einer Schwiegermutter, einer Nebenbeirezipientin, einem Berufsjugendlichen und einem Beinahe-Volksschüler gefällt, oder? Ich sag: Ist das wirklich so? Darf eine Band nur einer bestimmten Zielgruppe, einem Kreis an Auserkorenen gefallen? Wird die Musik schlechter, wenn sie auch Menschen gefällt, die nicht "hip" sind?

Wir, als ESC-Familie, freuen uns jedenfalls schon auf nächsten Freitag. Da kommen spannende Musikstunden auf uns zu, das steht fest.

Und noch ein Nachtrag: Großes Lob an den ORF. Dass er die Kiste, so wie sie ist, auf die Beine gestellt hat. Schade nur, dass man doch ein bissl zu wenig Vertrauen in die Musik der Acts hatte, und die Songs mit zu vielen Statements zerschnipselte. Hätte nicht sein müssen. Die Coaches waren kompetent und witzig, keine Frage, aber kurze Einspielungen, wenn die Bands auf die Bühne kommen bzw. fertig sind, hätten gereicht. Die Jury? Wenn jemand Charleston-Einlagen bei einer Swing-Partie vermisst, mag ich gar nicht mehr weiterreden...

Bereits mit ihrem ersten Album „An Awsome Wave“ eroberte die britisch Alternative-Pop Band Alt-J die Musikwelt im Sturm. Nach nunmehr zwei Jahren sind sie mit ihrem neuen Album „This is All Yours“ auf Welttournee und sorgen für ausverkaufte Hallen rund um den Globus.

Brit-Pop, nein danke? Alt-J, ja bitte! Joe Newman, Gus Unger-Hamilton und Thomas Green zeigen wie es geht. Alles was man hierfür anscheinend braucht, ist eine einzigartige Stimme, mächtige Synthesizer und drei wahrhaftige britische Vollblutmusiker. Die, nach einer Nacht in Wien, doch ein wenig angeschlagen wirken. Joe ruht sich aus, immerhin steht das Konzert im Gasometer noch an, Gus und Thomas stellen sich müde aber geduldig allen Fragen, die auf sie zukommen. Wo sie einander kennengelernt haben, zum Beispiel. Das war an der University of Leeds, und nein, ihr Hauptfach war keineswegs Musik sondern Kunst und englische Literatur. Und das sind auch die Einflüsse, die sich immer wieder in den teilweise bizarren Texten und den dazugehörigen Videos finden lassen. Beispiel: „Breezeblocks“. Ob nun eine Massenvergewaltigung oder die zutiefst verstörende Beziehung eines Schriftstellers auf dem Programm steht, „Fitzpleasure“, keine Thematik scheint ihnen zu abstrus oder bizarr zu sein.

Persönlich haben sich die Briten schon mit ihrem neu erlangten Ruhm abgefunden. Den Abgang von Bassist Gwil Sainsbury nach dem ersten Album „An Awesome Wave“ hatten sie zwar zu Beginn erstmals verkraften müssen, jedoch „ist ihnen das ganz gut gelungen“ so Keyboarder Gus. Auch die Tatsache, dass ihnen ein Bassist fehlt, „ist nicht ganz so tragisch wie in anderen Bands, wir können uns ja noch immer auf die diversen anderen Instrumente, Joe‘s Stimme und unseren Synthiesound verlassen“.

Aber ohnehin stehen die Texte laut Gus im Vordergrund: „Wir schreiben die Lyrics zuerst und versuchen dann die dazu passenden Sounds und Beats zu finden“. Thomas: „Dies ist auch bei Blood flood zu hören. In dem Song geht es um die ständige Anspannung, die man erlebt, wenn man durch die Straßen von Southampton streift. Man kann sich nie sicher sein, was als nächstes auf einen zukommt, Southampton ist eben doch ein raues Pflaster. Joe ist dort aufgewachsen und wollte unbedingt diesen Track schreiben. Im Nachhinein versuchten wir eben noch das ganze drum herum zu gestalten“.

Direkt an den Erfolg des ersten Albums anknüpfen, müssen/wollen die drei jedoch gar nicht. „Wir wollen jetzt in erster Linie Mal Musik machen, die UNS gefällt“, sagt Gus. Trotzdem setzen sie mit ihrem neuen Album "This Is All Yours" ihren Erfolgslauf fort. Oder vielleicht gerade deswegen... Klassisch: Auf die Frage, wieso man die Single „Hunger Of The Pine“ und nicht die, um einiges radiotauglichere Single „Left Hand Free“ zuerst releaste, kam Gus' trockene Antwort: "Weil jeder damit gerechnet hätte." Es es ist vielleicht genau dieser kleine Satz, der es schafft, das Phänomen Alt-J zu beschreiben. Diese Band ist einfach anders. Sie schafft es aus der mittlerweile breiten Musikmasse herauszustechen und bereits ab dem ersten Akkord einen Wiedererkennungswert zu schaffen.

Das Konzert im Wiener Gasometer erfüllte auf jeden Fall die Erwartungen der breiten österreichischen Fangemeinde. Youngsters mit Tschick und alkoholhaltigen Getränken groovten ungezügelt, Hipster wippten locker mit. Alles da. Begonnen wurde Ordnungsgemäß mit ihrer ersten Single des neuen Albums „Hunger Of The Pine“ und der dazu passenden Lightshow. Ein Opener, der wahrscheinlich so einzigartig ist wie die Band selbst, zu Beginn noch träge und ruhig baut sich solange Spannung auf, bis die Line von Miley Cyrus, „I’m a female Rebell“ zu hören ist.

Es folgte ein gut abgewogener Mix aus alt und neu, und auch wenn die Songs des neuen Albums bei den Fans noch nicht so verinnerlicht waren - WURSCHT, getanzt wurde eh zu jeder Nummer! Eine Band in absoluter Spiellaune, geniale Licht- und Videoprojektionen. Beendet wurde das ganze Spektakel nach circa einer Stunde und zwanzig Minuten mit ihrem Hit „Breezeblocks“ - und einer wahnsinnigen Bühnenshow. Puhhhh jetzt nochmal eine Rauchen und sich ärgern, dass man das blöde, schweißtriefende T-Shirt von Joe nicht gefangen hat...

Vorweg: Maurice Ernst ist der geborene Frontman. Nicht nur cool und goschert - sondern auch mit einer begnadeten Stimme ausgestattet. Beides hat er eindrucksvoll auch scon im TV bei der letztjährigen Amadeus-Show bewiesen. Das verkrampfte Lächeln des großen Plattenchefs bei seiner kurzen Rede war einfach unbezahlbar...

Mit "Schick Schock" hat jetzt die gesamte Band einen beeindruckenden Schritt getan. Von der lässigen Gitarrenband zum extravaganten, internationalen Pop-Act. Das machen sie vom ersten Ton des Openers "Willkommen im Dschungel" an klar. Kein Grund, sich selbst klein zu machen - die Jungs haben Ideen und können sie auch umsetzen. Das wissen sie und da ist gut so. "Sag es laut, du bist hinter meinem Hintern her" - das sind Großspursätze, wie man sie von den "Großen" US-Acts gewohnt ist. Darf ein Österreicher das? Ja. Jaa. Jaaa! Wenn's so endlos groovig daherkommt wie "Feinste Seide" (was für ein Bass, danke!), "Spliff" oder der Titelsong (singt er tatsächlich "mein ... ist lang wie ein Aal"?), darf man einfach alles. Dazu der altbekannte Einefetzer "Maschin" - ich muss aufhören, sonst komm ich noch ins Schwärmen.

Die ganze Scheibe ist aus einem Guss, es gibt keinen Durchhänger - daher eine bedingungslose und aus voller Überzeugung kommende Kaufempfehlung. Bemerkenswert auch, wie Ernst mit dem deutsch-englisch Wechsel spielt. Noch ein wenig mehr davon, und nichts scheint für diese Band unmöglich...

Nachtrag: Ich hab den Jungs vor einer Woche unterstellt, sie hätten aus Angst zu verlieren nicht beim ESC mitgemacht. Das muss ich revidieren. Die haben ganz sicher vor nichts Angst. Sie wollten wohl einfach nicht. Was ich noch immer schade finde. Denn DIE Burschen im Zusammenspiel mit den Coaches - das hätte ganz schön Zunder gehabt... ;)

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