Winzer erklären, warum der Wein durch die Krise besser wird
"Die Natur ist von dem Virus unbeeindruckt – die Natur ist völlig unverändert. Nur wir Menschen haben uns verändert", sagt Fritz Wieninger. Der Wiener Bio-Winzer spaziert bei diesen Sätzen durch einen seiner Weingärten und atmet tief durch.
Zu dieser Jahreszeit vor einem Jahr hatte er schlaflose Nächte: Der Manager, der immer auf Wachstum aus war, war sprachlos ob der Nachrichtenlage. Doch dann baute er innerhalb einer Woche einen Online-Shop auf und es folgte ein super Sommer. "Seitdem bin ich entspannt – auch im sechsten Monat des Gastronomie-Lockdowns."
Seit mehr als einem Jahrzehnt hätten die Weinbauern von Digitalisierung gesprochen, aber sie alle hätten zu wenig getan. "Jetzt waren wir gezwungen, nicht nur Meetings, sondern auch Verkostungen digital zu veranstalten. Wir sparen uns Kosten für überteuerte Hotels, schlechtes Essen und müssen uns den Hintern auf Messen nicht aufreißen. Wir versenden die Weine per Post und sitzen bei den Verkostungen zu Hause. Diese Entspanntheit kannten wir nicht. Das wird uns erhalten bleiben."
Ebenso positiv sei, dass die Weine jetzt Zeit haben zu reifen. "Der 2019er war grandios und konnte es nicht ausspielen, aber es gibt ihn noch. Jetzt muss der Markt mitspielen. Wenn im November 2021 nach dem Jahrgang 2020 verlangt wird, haben wir die Möglichkeit verspielt."
Spiel mit der Reife
Das Winzerjahr beginnt mit dem Rebschnitt, also im Frühjahr in den Weingärten. Die Corona-Krise mag in vielen Bereichen den Alltag der Konsumenten verändert haben, aber nicht die Arbeit von Martin Mittelbach.
"Noch nicht", setzt der Wachauer Winzer nach. Vergangenen Herbst hat er Glück gehabt: Die wenigen ausländischen Erntehelfer, die er am Tegernseerhof in Dürnstein benötigte, haben es rechtzeitig ins Land geschafft. Über die wirtschaftlichen Einbußen soll es an dieser Stelle nicht gehen, sondern um die Veränderungen im Arbeitsalltag. Die Zeit der Reisen, der Gespräche mit Hoteliers und Gastronomen ist vorbei. "Es ist eine Entschleunigung eingetreten: Ich verbringe viel mehr Zeit in den Weingärten."
Wie Wieninger freut er sich über die gewonnene Reifezeit: "Weine im hochwertigen Preissegment haben kein Ablaufdatum. Natürlich gibt es Trends, denen auch wir unterworfen sind, aber erstmals können wir unsere Lager auffüllen."
So kann der Winzer auch leichter verkraften, was der Riesenhagel am 22. August 2020 in der Wachau angerichtet hat. Seine Energie investiert er in neue Produkte und Projekte wie den Ausbau von Bio.
Umstellen auf Bio
Anfangs war Silvia Heinrich dankbar für die Ruhe. "Es war 5 vor 12 bei mir. Im Nachhinein gesehen war mein Tag unglaublich straff getaktet und ich war noch dazu wie alle zu viel unterwegs." Auch die 47-Jährige ist jetzt wieder mehr im Weingarten unterwegs – auch mit ihren zwei Kindern.
"Es ist ein Erlebnis für mich zu sehen, wie jetzt meine Töchter die Zeit in der Natur erleben: Das versetzt mich in meine eigene Kindheit zurück.“
Bei der burgenländischen Winzerin dreht sich alles um Trinkreife und biologische Landwirtschaft in diesem zweiten Krisenjahr.
"Ich sehe die Zeit als große Chance für unsere lagerfähigen Rotweine, weil der Markt im Jungweintrinkerland Österreich immer schneller nach neuen Weinen verlangte."
Neben dem Kauf einer Abfüllanlage stellte die Winzerin – ihre Spezialität ist Blaufränkisch – neue Mitarbeiter an: 2024 sollen ihre 38 Hektar rund um Deutschkreutz auf Bio umgestellt sein. Ihr neues Hobby, Brotbacken mit Sauerteig, möchte sie nach der Krise beibehalten.
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