Trüffelsuche in Istrien: Mit den feinen Nasen der Frauen

Trüffelsuche in Istrien: Mit den feinen Nasen der Frauen
In Istrien suchen nicht nur Männer nach den begehrten Knollen. Eine Reportage aus den lichten Wäldern des Mirnatals.
Von Uwe Mauch

Gemächlich streift Mojca durch das Unterholz des herbstlich gefärbten Waldes, vorbei an vitalen Eichen, Pappeln, Pinien, Espen und Haselnusssträuchern. Noch liegt Nebel über dem Mirnatal nahe des istrischen Städtchens Buzet. Die Labradorhündin mit dem glänzenden Fell schnüffelt an den Wurzeln der Bäume. Einem konkreten Ziel scheint sie nicht zu folgen. Noch nicht. Doch plötzlich hebt sie ihre Hundenase vom kühlen Waldboden. Dann raschelt das Laub. Mojca wittert Kostbares: Tartufi, Trüffeln.

„Genau jetzt spüre ich, wie das Adrenalin durch meinen Körper rast“, flüstert Daniela Puh über ihr immer wieder neu aufloderndes Jagdfieber. Sie ist eine Tartufarka, eine Trüffelsucherin, eine von rund 2.500 Menschen in Istrien, die auch für den Handel eine Lizenz besitzen. „Dabei bin ich schon als Zwölfjährige alleine in den Wald gegangen“, fügt sie leicht außer Atem hinzu, während sie ihre Hündin nicht mehr aus den Augen lässt.

Trüffelsuche in Istrien: Mit den feinen Nasen der Frauen

Die folgt ihrem speziell geschulten Spürsinn, den sie schon sprichwörtlich mit der Muttermilch aufgesaugt hat. Die Chefin des Nutztieres gibt zu: „Ja, wir träufeln Trüffelöl auf die Zitzen der stillenden Hündinnen. Damit sich die Welpen schon wenige Tage nach ihrer Geburt an diesen speziellen Geruch und Geschmack gewöhnen können.“

Mojca hat eine Knolle entdeckt! „Warte, warte“, ruft ihr Daniela hinterher. Dann graben sich die Krallen des Tieres und der Spaten des Menschen abwechselnd in das Erdreich. Vorsichtig, sehr gut eingespielt. Die erfahrene Trüffelsucherin achtet darauf, das unterirdische Netzwerk an Wurzeln und Sporen nicht zu zerstören. Das erklärt auch, warum entgegen eines weitverbreiteten Glaubens keine umackernden Schweine eingesetzt werden.

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Welch Enttäuschung!

Baum und Pilz sind eine Symbiose eingegangen: Die Trüffel hat ihren Wirt mit Wasser und Nährstoff aus dem Kalkstein versorgt, dafür bekam sie Zucker von oben, den sie unterirdisch nicht bilden kann. „Ab Ende Oktober, wenn die meisten Blätter abgefallen sind, stehen unsere Chancen besonders gut“, weiß Daniela Puh. „Denn da geht die gesamte Energie der Bäume in den Boden.“

Recht enttäuschend der erste Fund des Tages! Die schwarze Herbsttrüffel wurde schon von Würmern angeknabbert, womit sie ihr Aroma weitgehend verloren hat. Sie wird dennoch in die Jackentasche gesteckt: „Für das Training unserer Welpen.“

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Kurz währt der Frust. Nur wenige Minuten später sind die fünfjährige Mojca und ihre um ein Jahr jüngere Kollegin Nika erfolgreicher. Artig treten sie von ihrer Leibspeise zurück. Das mag ihnen an diesem Vormittag nicht immer gelingen. Denn öfters als der Besitzerin lieb ist, wissen die Hündinnen, was gut (und teuer) ist. Die Frauen auch.

Trüffelsucherinnen wie Daniela Puh sind zwar nicht in der Mehrheit im Mirnatal, aber auch keine Exotinnen. Ihre Oma ging bis 75 täglich in den Wald, ihre Mutter ist heute überhaupt die Erfahrenste und Fleißigste in dem Familienunternehmen Pietro & Pietro. „So hießen meine Opas“, sagt Daniela. Sie zählt zur dritten Generation. „Meine beiden Töchter wären die vierte.“

Anders als in Italien hat man die Trüffeln in Istrien bis in die 1930er-Jahre abgetan und als lästige „wilde Kartoffeln“ im besten Fall an die Schweine verfüttert.

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Inzwischen hat sich auch hier viel Erfahrung angesammelt. In eigenen Workshops lernen Interessierte, dass grundsätzlich zwischen der kostbaren, weil selteneren weißen und der ganzjährig in Unterarten wachsenden schwarzen Trüffel unterschieden wird.

Die Schwarze wächst eine Handbreit unter der Erde, die Weiße wird in Anspielung auf Könige und Geldadel „Magnat“ genannt. Sie breitet sich bis zu einem halben Meter unter der Erde aus, reift nur im Herbst, gerne nahe am Wasser, und kostet ein Vielfaches. Ihre Knollen können binnen weniger Stunden ihr volles Aroma entfalten. Was am Vormittag noch nicht roch, kann schon am Nachmittag anlocken. Erst wenn sie wirklich reif sind, finden sie die Hunde. Ihre Botschaft ist klar: Holt mich bitte hier raus! Verbreitet meine Sporen, damit meine Spezies möglichst lang am Leben bleiben kann!

Welch Betörung!

Die Hunde geben das Tempo vor. Lange zeichnet sich ein von ihnen forcierter Deal zwischen Tier und Mensch ab: Eine Trüffel lassen wir dir, eine fressen wir selbst. Doch dann, in der Nähe des Bachs, tritt Mojca einen Schritt zurück. So wird eine wertvolle weiße Trüffel unbeschadet ausgegraben. „Gute 25 Gramm“, freut sich Daniela Puh und lobt ihre Helferin. „Bei einem Kilopreis von derzeit 4.000 Euro nicht schlecht.“

Die Knolle ist per se kein Spektakel. Sie sieht nicht unbedingt schön aus. Aber ihr Duft ist betörend, er soll Herrscher in der Antike fast um ihren Verstand gebracht haben.

Die Magie der Trüffelsuche erklärt Daniela Puh so: „Ein Tag im Wald bringt mich zurück in meine Kindheit. Die Trüffel ist ein Geschenk der Natur, ihr Geschmack ist weltweit einzigartig, lässt sich auch mit nichts anderem vergleichen.“

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Auch Višnja Prodan Jekić zeigt sich begeistert, wenn sie auf der anderen Seite von Buzet eine weiße Trüffel ausgräbt: „Das ist für mich so, als wär’s ein Goldnugget.“ Auch in ihrer Familie ist die Mutter einer einjährigen Tochter keine Ausnahme: „Meine Mama und ihre beiden Schwestern haben das alles von meinem Großvater geerbt. Der war einer der ersten, der bei uns Trüffeln gefunden hat.“ Sie selbst hat bald nach ihrem Studium in Rijeka in einem Ingenieur-Büro gearbeitet, das auch Motoren für BMW entwickelt: „Das war schon interessant. Aber einen Job von neun bis fünf vor dem Computer kann ich mir heute gar nicht mehr vorstellen.“

Von einem Trüffel-Kauf bei nicht lizenzierten Händlern raten beide Frauen dringend ab. Daniela Puh: „Trüffeln aus China oder Bulgarien sehen wie Trüffeln aus. Doch weder duften sie noch schmecken sie so wie unsere.“

Feines dann zu Mittag im Hause der Puhs: Zur Belohnung gibt’s heute eine herzhafte Eierspeise mit frischer weißer Trüffel, dazu Trüffelbier und die absolute Gewissheit, dass die Quelle ihres Einkommens niemals versiegen wird, ohne dass durch ihre Arbeit die Natur leiden muss.

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