Ein Experte verrät das Geheimnis alkoholfreier Speisenbegleitung

Ein Experte verrät das Geheimnis alkoholfreier Speisenbegleitung
Kräuterauszüge, Sirupe und Fermentiertes als Alternative zur Weinbegleitung: Michael Wendlinger-Iwan erzählt, wie's geht

Wer gerne gut isst, aber auf Alkohol verzichtet, bekam früher meist Limos oder picksüße Säfte serviert. Das hat sich geändert – vor allem in der Spitzengastronomie setzt man auf alkoholfreie Speisenbegleitung mit Niveau. Wie etwa Michael Wendlinger-Iwan: Im Münchner Spitzenrestaurant „Broeding“ (das aufgrund der aktuellen Situation jetzt auch geschlossen ist) stimmt der ehemalige Barkeeper die nichtalkoholischen Getränke auf die einzelnen Gänge ab. Dafür steht er schon mal länger in der Küche und röstet Wacholderbeeren in der Pfanne.

Michael Wendlinger-Iwan

KURIER: Man liest, Sie hätten 600 Cocktail-Rezepte im Kopf. Wie kamen Sie denn auf die Idee, sich auf Antialkoholisches zu spezialisieren?

Michael Wendlinger-Iwan: Es gibt immer mehr Menschen, die keinen Alkohol trinken wollen, aus diversen Gründen. Sie sollten nicht schlechtergestellt sein als jene, die Wein trinken. Also habe ich begonnen, spezielle Begleitungen zu einzelnen Gerichten zu kreieren.

Sie stimmen das Pairing auf die einzelnen Gerichte ab – wie muss man sich das genau vorstellen?

Wenn ich mittags ins Restaurant komme, gehe ich in die Küche und frage, was es heute gibt. Dann probiere ich alles durch und frage vor allem die Gewürze ab, die die Köche verwenden. Ich benutze dann meist dieselben Gewürze und koche daraus einen Sud. Letztens hatte ich zum Beispiel einen Gewürzsud im Einsatz, mit Marsalacurry, Kreuzkümmel und Kardamom sowie Sternanis und Piment. Das kam sehr gut an, passte fantastisch zum Lamm, das orientalisch gehalten war. Und so bereite ich für jedes Gericht ein spezielles Getränk zu.

Liegen Sie da geschmacklich immer sofort richtig oder experimentieren Sie länger herum?

Sagen wir so: Es gelingt nicht immer gleich gut. Ich habe auch Tage, wo ich etwas probiere, dann merke ich, es fehlt der Pep. Ich experimentiere so lange, bis es passt. Das Gute ist, dass ich bestimmte Grundsubstanzen zur Verfügung habe, die ich zugeben kann. Zum Beispiel Basistees, einen Lapsong – ein chinesischer Schwarztee, der auf Pinienholz geräuchert wurde. Oder diverse Pfeffersude, eine Lavendelmarinade und immer etwas mit Gurke und Basilikum. Grundstoffe, die sich wunderbar kombinieren lassen.

Die bereiten Sie ebenfalls selbst zu?

Ja, genau. Immer, wenn ich Zeit habe, stehe ich am Herd und probiere neue Sachen aus. Unlängst habe ich mit dem Holz einer Johannisbeere experimentiert und es ausgekocht. Das ergab ein helles Getränk, das intensiv nach Johannisbeeren schmeckt. In Kombination mit Sternanis passt es hervorragend zu Wild oder zu Kalbstafelspitz.

Zu dominant sollte das Pairing aber nicht sein.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Einmal, dass ich mit dem Getränk das Gericht konterkariere, und es damit entsprechend verändere. Das kann spannend sein. Oder aber ich begleite das Gericht unterstützend, mit ähnlichen Gewürzen oder Kräutern, die alles noch einmal intensivieren.

Sie arbeiten viel mit Tees, welche denn genau?

Grüne Tees oder eben Lapsong, der Rauchtee. Was auch sehr schön ist: griechischer Bergtee, der hat eine wunderbare Kräuternote. Wenn ich ihn mit Majoran, Thymian, etwa Balsamico und Salz mische, ist das sehr mediterran und passt perfekt zu Fisch.

Was liegt aktuell im Trend?

Kombinationen mit Essig, zum Beispiel. Sie eignen sich ideal als Aperitif oder zum ersten Gang, weil Essig den Appetit anregt. Und österreichischer Verjus – in Verbindung mit einem Minzsud und etwas Fleur de Sel ergibt das ein wunderbares Getränk mit schön straffer Säure. Beliebt sind momentan auch verschiedene Kombinationen mit Tonic – das bringt Pep und Kohlensäure rein. Ja, und dann wären noch die ganzen mediterranen Kräuter wie Majoran, Thymian oder Rosmarin. Sie werden mit etwas Läuterzucker ausgekocht, das ergibt sehr schöne und intensive Sirupe.

Und was fällt Ihnen zu Frühling ein?

Holunderblütensud, aber bitte ohne Zucker. Einfach die Hollerblüten nehmen, auskochen, in Flaschen füllen und bei sechs Grad im Eiskasten aufbewahren. Das ist ein schön frischer Grundstoff, der sich mit kaltem Earl Grey oder Grünem Tee fein kombinieren lässt. Oder auch mit bereits erwähntem selbst gemachten Sud aus frischer Minze.

REZEPT FÜR DAHEIM

Wacholder-Trauben-Tonic (ergibt 1 Liter)

Zutaten:

1 l Traubensaft bio, idealerweise Zweigelt, gute Qualität
10 Wacholderbeeren ganz
3–4 Gewürznelken  
Bitteres Tonic  mit wenig Restzucker,
z. B. Acqua di Monaco

Wacholderbeeren in einer heißen Pfanne zwei bis drei Minuten ohne Fett anglasen lassen, dabei die Pfanne immer bewegen und die Beeren drehen. Mit dem ganzen Traubensaft ablöschen, Nelken zugeben und alles zirka fünf Minuten simmern lassen Sud durch ein Sieb filtern, abkühlen lassen und in eine Flasche füllen. Im Kühlschrank bei 6 Grad lagern.
Für die Speisenbegleitung acht Zentiliter Sud mit acht bis neun Zentiliter Tonic aufgießen. Passt zum Beispiel hervorragend zu Wiener Schnitzel. 

 

 

 

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