Johannes Nuding: Uns sind kurze Transportwege wichtig, das bedeutet bessere Qualität. Fisch und Meeresfrüchte aus britischen Gewässern sind daher für uns ein Thema, das ist Top-Qualität vor der Haustür: Muscheln aus Schottland, Austern aus Irland, Hummer und Krabben aus den Küstenregionen. Da brauche ich nichts aus Norwegen importieren. Als französisches
Restaurant brauchen wir auch Produkte, die man hier in Großbritannien nicht findet. Derzeit importieren wir Alba-Trüffel aus Italien. Das muss man verstehen. Die Schnecken kaufen wir als französisches Restaurant sogar bei einem Produzenten in Dorset.
Wie kommt das Regionale bei Gästen an?
Die Briten sind sehr patriotisch, schauen sehr auf den heimischen Markt und wollen ihre Produkte in den Vordergrund stellen. Die englische Küche hat zu Unrecht einen schlechten Ruf, es gibt eine hohe Qualität. Wenn Köche ausgezeichnet werden, werden sie von den Medien gehypt und gelten in ihren Regionen.
Wie erlebt man als Ausländer die kulinarischen Traditionen der Briten?
Das ist manchmal schon etwas schwierig zu verstehen. Aber Gerichte wie Yorkshire Pudding (eine Fleischbeilage aus flaumigem Teig, Anm.) oder der Christmas Pudding haben einfach Tradition. Das ist wie bei uns Lebkuchen backen, das verstehen Ausländer auch manchmal nicht. Tradition wird aber auch mit Neuem verbunden. Vom Sunday Roast, dem traditionellen Sonntagsbraten im Pub, gibt es eine vegetarische Variante. Da wird der Kürbis im Ganzen gebraten und wie ein Braten aufgeschnitten.
Welche kulinarischen Trends sind aus Ihrer Sicht derzeit interessant?
Da muss man zwischen Modetrends und Techniken unterscheiden. Saucen mit Pinseln auf die Teller aufzutragen hat einen ästhetischen Sinn und ist lustig, das würde ich aber nicht als einen bleibenden Trend sehen. Ich finde Fermentieren sehr spannend. Da wurde eine alte Technik wiederbelebt, das hat auch einen Sinn, weil Lebensmittel nicht weggeworfen, sondern haltbar gemacht werden. Ebenso wird „Zero Waste“ (kein Müll, Anm.) bleiben. Beim Fleisch auch andere Teile als die Luxusstücke zu verarbeiten, ist eine logische Entwicklung unserer Zeit, wenn man etwas für die Umwelt tun will. Außerdem bringt man Produzent und Produkt mehr Respekt entgegen. Ein Hummer braucht Zeit zum Heranwachsen. Da muss man doch mehr daraus machen, als nur die Schwänze verwenden. Die Gäste verstehen das mehr und mehr. Auch in einem Drei-Sterne-Restaurant bekommt irgendjemand das Schwanzstück vom Rind.
Der Sterne-Küche sagt man ja oft nach, großzügig mit Ressourcen umzugehen.
Bei uns im Sketch gehört Zero Waste zu unserer DNA, das hat unser Chef Pierre Gagnaire immer so gehandhabt. Es wird wenig weggeworfen, die Öfen und das Wasser gleich abgedreht. Woanders lebt man es vielleicht opulenter aus und macht sich weniger Gedanken über die Verwertung eines Fisches.
Hat sich der Geschmack der Menschen verändert?
Durch die Globalisierung und das Internet haben wir heute eine ganz andere Auffassung von Produkten, das Spektrum ist viel größer als noch in den 1960er-Jahren. Heute haben wir eine weitgereiste Klientel. Die Welt ist kulinarisch übersichtlicher geworden.
War der dritte Stern das Highlight des Jahres 2019?
Das wurde ich bei der Preisverleihung auch gefragt. Ich muss aber sagen, es ist das Zweitbeste, das mir heuer passiert ist. Vor acht Monaten bin ich Vater geworden, meine Tochter ist nochmals eine ganz andere Dimension. Dadurch ändern sich natürlich die Prioritäten. Meine Frau Lilit kommt auch aus der Gastronomie und unterstützt mich sehr. Die Familie – auch meine Eltern und Brüder in
Tirol – sind der große Rückhalt, den man braucht.
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