Endstation Sehnsucht
Von Tijuana mit der ohrenbetäubenden Vergnügungsmeile Avenida Revolución bis zur Südmetropole La Paz, jahrhundertelang das Zentrum der Perlentaucher: Hitze und Faszination, Abenteuer und 1.700 Kilometer Einsamkeit. Das ist Baja California, das westlichste „Anhängsel“ Mexikos am Pazifik. Die spanischen Eroberer nannten die Halbinsel, die größer als Italien und zwei Mal so lang wie Florida ist, „Calida Fornax“: heißer Ofen. Durch das durchschnittlich nur 90 Kilometer breite „Galapagos von Mexiko“, wie die Amerikaner gern sagen, schlängelt sich die „Mex 1“, die Fortsetzung des berühmten „Highway Nr. 1“ von der US-Grenze im Norden bis Cabo San Lucas im Süden. Die Städte Rosarito und Ensenada an der Pazifikküste südlich von Tijuana sind für die Nordamerikaner das, was für die Deutschen Mallorca ist.
Wer eher die Splendid Isolation sucht, findet sie in Zentral-Baja: Zwischen den pulsierenden Touristenzentren im Norden und Süden liegen knapp 1.000 Kilometer dünn besiedelte Einöde – überwiegend Wüste und felsiges Bergland mit spärlicher Vegetation.
Ständig Neues entdeckend, nicht wissend, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt, wird man oft das Gefühl nicht los, auf einer Expedition zu sein. Im klaren Wasser kann man Schwärme bunter Fische beobachten, die sich unter den Booten tummeln. Nicht umsonst gilt Baja California als „Galapagos für Arme“. Auf dem Weg entlang der Carretera Transpeninsular gibt es vor allem Kakteen in allen Größen und Formen, so weit das Auge reicht. 120 Arten wachsen im „Kakteengarten Mexikos“, fünfzig davon gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.
Der beeindruckende Cardón-Kaktus, Symbol für die Baja, kann bis zu zwanzig Meter hoch und 500 Jahre alt werden und Tonnen von Wasser in sich speichern. In seiner Nachbarschaft ist oft der Cirio zu finden, die vielleicht kurioseste Pflanze dieser Wüste: ein kaktusähnlicher Baum, der wie eine auf dem Kopf stehende überdimensionale Karotte aussieht. Das unter einem Meer von Palmen versteckte Kleinstädtchen Mulegé, eine der wenigen Oasen von Zentral-Baja, liegt am Rio Mulegé. Drei Kilometer weiter mündet er in den Golf von Kalifornien. Das Mar de Cortés, das der Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau einmal das „Aquarium der Welt“ nannte, ist seit 2005 aufgrund des Artenreichtums ein Weltnaturerbe der Menschheit.
Weltweit bekannt wurde die Region durch ein einzigartiges Naturschauspiel: Zwischen Jänner und März ziehen Tausende Wale, begleitet von ebenso vielen Delfinen, mehr als 6.000 Kilometer weit von Alaska an die Baja, um dort ihre Jungen zu gebären. Dieses Wanderspektakel ist am besten in Cabo San Lucas zu beobachten, Rolling Stone Keith Richard hat in Mexikos viertgrößtem Badeort nach Cancun, Puerto Vallarta und Acapulco geheiratet. Mick Jagger war Trauzeuge. Das Dorado für Windsurfer und andere Wassersportler liegt im Süden bei Los Barilles, denn schon ab 11 Uhr morgens sorgen der starke Nordwestwind und angenehme Wassertemperaturen von 22 Grad für Idealbedingungen. Schnorcheln, Tauchen, Wellenreiten oder Para-Sailing; Beach-Volleyball, Jet-Ski, Kajak oder Golf; Tennis, Reiten oder einfach nur schwimmen und faulenzen – alles ist in „Los Cabos“ möglich. In luftigen Wüstenflitzern, den „dune buggies“, über den heißen Sand zu düsen, ist der letzte Schrei. Los Cabos rühmt sich auch, für Hochsee-Angler das beste Schwertfisch-Revier der Welt zu haben, und das Gewässer vor der Küste heißt vielversprechend „Marlin-Allee“. Wer zum Hochseefischen kommt, kann in Loreto, La Paz, Los Barriles, und Los Cobos an Bord gehen und je nach Jahreszeit Marlin, Yellowfish, Barsch oder Wahoo angeln.
Die Pazifikküste hingegen ist mit ihrer Brandung das Mekka der Wellenreiter. Die Wellen erreichen in den Wintermonaten Dimensionen wie sonst nur in Australien und Hawaii. Kein Wunder also, dass die Surf-Elite die Strände der Insel Todos Santos schlicht „Killer Beach“ nennt. Wer mobil ist, kann entlegene Fischerdörfer kennenlernen, den Gebirgszug im Norden, die vulkanischen Bergformationen, die Hochweiden, den mit 3.096 Metern höchsten Berg „Picacho del Diablo“ oder die Erdbeerplantagen in San Ignacio. Weitläufige Sanddünen hinter Cantamar dienen Motocross-Fahrern und Drachenfliegern als Übungsgelände. In der Allerheiligenbucht tobt sich die Natur aus und zeigt sich von ihrer schönsten Seite: Von einem Regenbogen umgeben brandet das Meer tosend gegen die Felsen und schießt an einer Stelle als gewaltige Wasserfontäne, „La Bufadora“ genannt, bis zu 20 Meter hoch.
George Clooney, Leonardo Di Caprios Geliebte Bar Refaeli, die Schauspielerin Jessica Alba und der Rockmusiker Bono machen Urlaub in Baja California. Der amerikanische Literaturnobelpreisträger John Steinbeck fuhr schon am Anfang des Zweiten Weltkrieges mit seinem Freund, dem Meeresbiologen Edward Ricketts, auf eine Bootstour die Küste entlang, um die Tierwelt der dortigen Gewässer zu erkunden. Die Reise wird zu einem großartigen Erlebnis voller Abenteuer und Zwischenfälle. Packend und mit humorvoller Kunstfertigkeit hat Steinbeck die Ereignisse dieser Tage aufgezeichnet in seinem „Logbuch des Lebens“. Darin definierte er den Menschen als Teil eines ökologischen Ganzen und kann deshalb getrost als Vorläufer der grünen Bewegung bezeichnet werden.
Obwohl der Sand etwas gröber ist als in der Karibik, kann das blaue Meer leicht mit den weltbesten Stränden auf den Bahamas mithalten: Bahia Magdalena bei Puerto Lopez Mateos an der Pazifikküste, Sanddünen bei Todos Santos, achäologische und historische Stätte in Sonora: die „Misión de Nuestra Señora del Pilar“.
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