Elisabeth Gürtler: "Erben ist nicht unbedingt das Richtige"
Wenn Elisabeth Gürtler den Raum betritt, färbt sich die Welt rosarot. Erstens, weil ihr Hotel „Astoria“ den Wohlfühlmodus anspringen lässt, zweitens, weil uns die Chefin im rosa Dirndl begrüßt. Ihre Reminiszenz an Tirol, der sie mit Ohrringen in Form eines Chamäleons einen modernen Touch verpasst. Gürtler kennt Tirol von Kindesbeinen an. Ihr Vater, ein Getreidehändler, baute nach dem Krieg ein florierendes Agrarunternehmen auf und belieferte Luxushotels am Arlberg. Die Hoteliers neckten ihn oft, trauten ihm – „du hosch jo koa Ahnung“ – ein eigenes Hotel nicht zu. „Denen wollte er es beweisen“, sagt Gürtler.
Selbst geführt hat Fritz Mauthner das „Astoria“ nie, aber gut führen lassen. Seine Tochter Elisabeth hatte dort ihren ersten Job, eine Hotelfachschule hat die studierte Diplomkauffrau aber nie besucht. Trotzdem konnte sie das „Sacher“ nach dem Selbstmord ihres Ex-Mannes als Hotel mit Weltruf weiterführen und so das Erbe ihrer Kinder verwalten. Seit der Übergabe 2016 kümmert sie sich um ihr eigenes Erbe, das sie erst mit 65 Jahren antreten konnte. Ihre Mutter wollte das „Astoria“ nicht loslassen. „Das wollte ich anders machen.“
Frau Gürtler, Sie waren Opernball-Chefin, Chefin der Hofreitschule, Sacher-Chefin ... Ist Ihnen ein Abschied je schwer gefallen?
Es gibt einen sehr wichtigen Satz in meinem Leben: Alles hat seine Zeit! Man spürt, wenn man zu einer Sache nichts mehr beitragen kann oder sich die Konstellationen so verändert haben, dass die Harmonie zwischen den handelnden Personen, die da sein muss, nicht mehr da ist. Das würde zu sehr belasten.
Es fällt Ihnen also leicht, loszulassen?
Natürlich überlegt man lange, aber Schritte müssen gesetzt werden. An etwas zu kleben hat keinen Sinn. Es gibt immer Gründe, warum etwas nicht mehr geht.
Und das Sacher?
Man gibt ein Sacher nicht auf, da waren rein rationelle Gründe ausschlaggebend. Es war nicht mein Eigentum, sondern das Erbe meiner Kinder, das ich verwaltet habe. Ich hatte das Gefühl, wenn meine Tochter einmal 40 und mein Sohn 36 Jahre alt ist, sind sie absolut in dem Alter, ihr Erbe selber zu verwalten. Sie brauchen keine Mutter mehr, die ihnen dauernd dreinredet.
Weil Sie es selbst so erlebt haben? Sie haben das Hotel „Astoria“, das Erbe Ihres Vaters, erst spät übernommen.
Genau, da habe ich gesehen, was es bedeutet, wenn jemand glaubt, dass er alles am besten weiß. Deshalb habe ich immer zurückgezogen. Ich dachte mir, hier wird alles bestimmt, und ich habe nichts zu reden. So eine Situation wollte ich meinen Kindern nie antun. Ich war 65, als ich mein Erbe antreten konnte.
Sie haben immer wichtige Positionen bekleidet. Reicht Ihnen das „Astoria“?
Ich weiß, wie lange es gedauert hat, alle Dinge, die ich im „Sacher“ geplant habe, zum Erfolg zu führen. Das waren sicher 20 Jahre. Wenn ich all das im „Astoria“ machen möchte und noch erleben will, muss ich 90 Jahre alt werden. Da ist keine Zeit mehr, noch etwas anderes zu machen.
Das "Astoria" in Seefeld von außen
Der Badeteich ist Idylle pur
Sonnenbad in Bergnähe
Sauna mit Ausblick
Die Schafe bewohnen den Eingangsbereich
Die außergewöhnliche Decke im Bar-Bereich
Holz macht gemütlich
Ganz neu: Der Essbereich
Gute Nacht!
Wann ist ein Hotel für Sie ein Erfolg?
Das kann ich Ihnen sagen. Es gibt unter den „Best Alpine Wellness Hotels“ welche, die im April noch so ausgelastet sind, dass ich als Kollegin kein Zimmer bekomme – weil es keines gibt. Das bedeutet 99 Prozent Auslastung. Wenn ich jetzt aufs Jahr gesehen bei 55 Prozent dahinkrebse, ist da noch sehr viel Luft nach oben. Ich würde es als Erfolg definieren, wenn ich 75 Prozent hab, das Ziel sollten aber 99 sein.
Bei der Nordischen Ski-WM hatten Sie heuer immerhin gleich zwei Königsfamilien zu Gast.
Es hat mich sehr glücklich und stolz gemacht, dass sowohl das norwegische als auch das schwedische Königspaar bei mir gewohnt haben. Normalerweise wird das auf mehrere Hotels aufgeteilt, aber da ist mir sicher Wien zugute gekommen, wo die Aufenthalte mit den Botschaften abgeklärt werden.
Ist es denn so, dass man mit anderen Hotels um Gäste buhlt?
Da gibt es die Geschichte von Albert Eickhoff, dem Modekönig von Düsseldorf, der als Erster Versace nach Deutschland geholt hat. Wir hatten in Salzburg eine Direktorin, die Frau Kammerhofer, eine g’standene Person. Die hat immer gesagt: „Frau Gürtler, die Eickhoffs sind so wichtig in Deutschland. Die kommen in der Festspiel-Saison nur ein Mal zu uns essen, wohnen aber im „Hirschen“. Da müssen wir was machen!“
Und? Was haben Sie gemacht?
Gar nichts, aber als das „Sacher“ 125- Jahr-Jubiläum hatte, kam mir ein Einfall. Ich habe damals in der Oper eine Matinee veranstaltet und die Eickhoffs mit Aufenthalt im Sacher dazu eingeladen, damit sie wissen, was das ist. Von dem Augenblick an waren sie „Sacherwürste“. Sie haben später dann auch für ihre Modeschauen 500.000 Sacherwürfel bestellt, die sie dann an ihre Kunden verteilt haben.
Netzwerken liegt Ihnen. Wie schaffen Sie das über alle Parteien hinweg?
Ich schätze Menschen, egal ob es ein Heinz Fischer, Wolfgang Schüssel oder Sebastian Kurz ist. Ich bin nicht parteipolitisch und werde auch nie Politikerin sein. Ich bin nicht bereit, die Kompromisse, die Politiker machen müssen, weil sie selten die absolute Mehrheit haben, mitzutragen.
Frau Gürtler, was muss ein gutes Hotel Ihrer Meinung nach bieten?
Ein Hotel ist für mich ein Kunstwerk. Gäste kommen nicht nur in ein teures Hotel, um hier zu schlafen, das können sie auch in einem sauberen Low-Budget-Hotel. Sie kommen, um sich selbst zu inszenieren. Das ist einmal das Visuelle. Dann geht es weiter mit gutem Essen, dem Geruch und den Materialien, die man angreift. Das alles nimmt man nicht bewusst wahr, spürt aber, wenn ein Produkt stimmig ist. Und wissen Sie, was das Wichtigste ist?
Natürlich die Bar, oder?
Das Wichtigste ist, dass der Gast, und ich rede hier von einem Ferien- und keinem Stadthotel, ein gutes Gespräch führt. Das kann auch an der Bar sein. Wenn es mehr gibt als ein gutes Essen und ein gutes Bett, kommt ein Gast wieder. Ich liebe Hunde und habe auch eine Hundewiese. Da freue ich mich immer, wenn zwei Hundebesitzer zusammenstehen und vielleicht ein Gespräch über ihre Hunde führen, die glücklich miteinander spielen.
Neben Frau Gürtler schläft ihr Hund Ella.
Ihr Hund Ella ist wahrscheinlich ein treuer Besucher der Hundewiese.
Meine Ella mag keine anderen Hunde. Einmal war der „Hundeflüsterer“ Cesar Milan bei uns zu Gast: mit vier Hunden. Die Ella hat nur so gebellt und die Zähne gefletscht, als sie sie gesehen hat. Irgendwann ist dem Cesar Milan dann der Kragen geplatzt und er hat gesagt: „Please give me the dog. It’s not a dog, it’s you!“ Ich dachte nur, der wird sich wundern und habe ihm den Hund gegeben. Zehn Minuten später ist die Ella ganz brav neben den anderen Hunden gesessen.
Ihre Schwiegertochter hat mir vorhin erzählt, dass Ella rückfällig geworden ist und Hunde immer noch nicht mag.
Das hat nichts mit Cesar Milan zu tun, ich erziehe die Ella leider falsch. Aber zumindest weiß ich, dass es noch was anderes gibt als Streicheleinheiten, um auf einen Hund einzuwirken.
Sie wirken stets aufgeräumt und kontrolliert. Gab es in Ihrem Leben Momente, in denen Ihnen das schwergefallen ist?
Es ist nicht so, dass schwierige Lebensphasen nicht wehtun, und sie gehen auch nicht spurlos an einem vorbei, aber wenn man eine Aufgabe hat, muss man sich sagen, dass das Privatleben mit der Aufgabe, die man zu erfüllen hat, nichts zu tun hat. Wirklich schwer war es, als mein zweiter Mann (Anm.: Helmuth Lohner) gestorben ist, weil sein Tod mit dem 450-Jahr-Jubiläum der Spanischen Hofreitschule zusammenfiel. Er war nicht einmal begraben, als ich das Jubiläum abwickeln musste. Das war, würde ich sagen, die herausforderndste Aufgabe, Beherrschung zu zeigen – wahrscheinlich an der Grenze dessen, was man vermag.
Sie wurden streng erzogen. Das wird meist negativ bewertet – oder hat Ihnen das geholfen, in schweren Momenten wie dem Tod Ihres Mannes Helmuth Lohner, stark zu bleiben?
Ich bin meinem Vater dankbar, weil er derjenige war, der diesen Druck ausgeübt hat. Er hat mit einem recht gehabt: Von nix kommt nix! Wenn jemand etwas erreichen will, muss er etwas dafür tun. Erben ist nicht unbedingt das Richtige. Ohne Vorzug in der Schule hätte ich auch kein Pferd bekommen. Mir war schnell klar, dass das ein Geschäft ist.
Haben Sie sich eine mildere Erziehung herbeigewünscht?
Im Nachhinein bin ich meinem Vater dankbar, aber in der Situation habe ich mir schon gedacht, es wäre schön gewesen. Mein Vater hat uns immer mit dem Auto um Halbacht in die Schule gebracht. In den Gemeindebauten, an denen wir vorbeigefahren sind, haben Frauen jeden Morgen das Bettzeug am Fenster ausgebeutelt. Da habe ich mir gedacht: „Mein Gott, geht es denen gut! Die haben keinen Druck. Mir ist manchmal ganz schlecht gewesen aus Angst vor einer Schularbeit.
Ihr Vater hatte einst die Generalvertretung für Lindt & Sprüngli in Österreich. Schokolade hilft angeblich gegen Angst und Stress. Da Sie gertenschlank sind, ist das aber wohl keine Lösung für Sie.
Ich bitte Sie, ich esse oft auch eine Schokoladentafel auf einmal. Dafür esse ich nicht viel anderes, Joghurt und Mozzarella mit Tomaten.
Das würde mich nicht glücklich machen.
Deshalb esse ich Schokolade. Die macht nämlich glücklich!
Neben dem Sacher führte Gürtler ab 2007 auch die Spanische Hofreitschule.
2018 schied sie auf eigenen Wunsch aus.
Zuvor war sie ab 1999 schon Opernball-Chefin
An der Seite von Direktor Jan Hollender arbeitete sie bis 2007
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