Bad für die Seele

Verträumte Buchten – der Traum eines jeden Griechenland-Urlaubers.
Einsame Buchten, Alain-Delon-Doubles und Tavernen wie aus der Griechenland-Werbung. Eine Insel als Filmkulisse. Willkommen auf Skiathos.

Eine Reisegeschichte, die in Erdberg beginnt. Im Irodion, meinem liebsten griechischen Restaurant in Wien. Nach dem Essen, beim traditionellen Ouzo auf Haus, erzählt mir Nikos von seiner Heimat. In letzter Zeit wurden es immer mehr Schilderungen der griechischen Tragödie. Tsipras soll den Mund nicht so voll nehmen, seine Versprechen sind unrealistisch, seine SYRIZA-Partei hat nur 36,3 Prozent bekommen – er spricht nicht für ganz Griechenland, meint der Irodion-Capo, während er sich die dritte Marlboro innerhalb der letzten zehn Minuten anzündet. Nikos erinnert mich an meinen kettenrauchenden Freund Robert, der bis vor zehn, 15 Jahren immer über Athen nach Amerika oder Asien flog, weil Olympic Airlines weltweit die einzigen waren, wo man auch während des Fluges rauchen durfte. Ich war vor ein paar Tagen zu Hause, berichtet Nikos, die Lebendigkeit auf den Straßen ist weg, die Geschäfte, die Restaurants sind leer, es ist deprimierend. Die Menschen sind enttäuscht, von der EU – aber viele auch von Tsipras und Varoufakis.

Im vergangenen Herbst erzählte mir Nikos von einer Insel der nördlichen Sporaden, unweit seiner Heimat. Sie war bis vor ein paar Jahren ein absoluter Geheimtipp, sei aber auch heute noch romantisch, grün und sauber, der Wein und die Oliven gehörten zu den besten von ganz Griechenland: Skiathos. Ich war dort. Nikos hat Recht. Hier findet man noch jene kleinen, verträumten Buchten mit weißem Sandstrand, von denen jeder Griechenland-Urlauber träumt, Wälder, die abends angenehm frische Luft spenden und Tavernen, deren Besitzer sich nicht von kulinarischen Modeströmungen beeinflussen haben lassen – Skordalia und Souvlaki, Mousaka und Choriatiki-Salat wird hier noch immer zubereitet, wie es den Köchen ihre Omas beigebracht haben. Man sollte allerdings nur dann mit dem Flugzeug kommen, wenn man Flugangst nur aus Erzählungen kennt. Skiathos erfordert von Piloten Extrem-Leistungen. Denn die Landebahn ist kurz. Sehr kurz. Beim Anflug auf den Airport Alexandros Papadiamantis muss die Maschine so knapp über dem Meeresspiegel durch die Luft gleiten, dass die Masten der Segelboote im Hafen fast geknickt werden. Nur die Flughäfen von Lukla in Nepal und St. Maarten auf den Niederländischen Antillen gelten unter Piloten als noch größere Herausforderung.

Ein langsames Annähern mit dem Schiff, vorbei an kleinen Felsen und Sandbänken, die die Hauptinsel zu beschützen scheinen, ist weniger abenteuerlich und viel entspannter. Mit dem Flying Dolphin-Tragflügelboot erreicht man von Agios Konstantinos in weniger als zwei Stunden Skiathos, das auf den grünen Hügeln wie ein pittoreskes Amphitheater rund um den alten Hafen liegt. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Die Sorgen sind in Athen zurückgeblieben.

Es ist später Nachmittag. Die Kinder spielen Tempel-hüpfen und Hunde ruhen sich im Schatten der Zypressen von der letzten Katzen-Jagd aus. Der dicke Postler öffnet nach einer langen Siesta wieder seinen Schalter. Ein von den letzten Nächten, die sie vermutlich in der angesagten Slip Inn-Bar verbracht hat, noch immer übermüdet wirkendes, sehr blondes Mädchen schleppt sich in ihre Boutique, um spät aber doch den Rollbalken wieder raufzuschleudern. Von der Nachbarinsel Skopelos kommend, biegen in einem Schlauchboot ausgelassene Schnorchler in den Hafen von Skiathos ein. Der Maler Theo Noutsos, ein wenig erinnert er an Mikis Theodorakis, lädt die beiden Freundinnen aus Thessaloniki, die sich malerisch auf der Kaimauer in Pose gesetzt haben, auf einen kühlen Drink in seine Galerie ein. Er habe bis Mitternacht geöffnet, seine neue Ausstellung Reflections-The Explosive Force würde ihnen sicher gefallen… Perimenoyme, man wird sehen, meinen die Damen verhalten.

Jetzt bringt das frischgestrichene, erdbeerrote Holzboot die letzten Sonnensüchtigen vom Kastani-Strand zurück. Zwischen Pinienwäldern blitzen strahlend weiße Häuser mit roten Ziegeldächern hervor, bunt gestrichene Tavernen wie das Selini mit Tischen unter Weinreben locken zum ersten Glas krachend kalten Weißwein. Und im exklusiven Kivo-Art & Gourmet-Hotel, das die "Sunday Times" kürzlich zu einem der 100 besten Europas gekürt hat, üben die Kellner, die fast alle wie Alain-Delon-Doubles aussehen, im Restaurant mit dem vielleicht schönsten Panorama-Blick bereits ihr gewinnendes Lächeln. In den Bars und Cafés trudeln langsam die Touristen ein. Die neu erstandenen Strohhüte spenden Schatten. Stolz erzählen die Damen, wie wenig die Designer-Jeans in der Boutique neben dem Fischmarkt gekostet haben. Und die Herren freuen sich auf den ersten bunten Cocktail im Cassablanca. Der Abend kann kommen. Skiathos ist wieder einmal bereit, Urlaubern eine Nacht wie im Kino zu bieten. In den einfachen Tavernen mit den simplen Holztischen oder den eleganten Restaurants mit blütenweißen, bodenlangen Tischtüchern, romantischen Windlichtern, silbernen Weinkühlern – und dem Lächeln der Delon-Doubles. Kein Wunder, dass Skiathos auch gerne als Filmkulisse eingesetzt wird. Nackt und heiß auf Mykonos spielt nicht – wie man meinen könnte – auf Mykonos, sondern hier.

Vor 37 Jahren war der heutige Traumschiff-Kapitän Sascha Hehn als junger, hochattraktiver Mann der Hauptdarsteller in einem der ersten deutschen Softsexfilme: "Es kommt" versprach das Filmplakat damals "zu erotischen Liebesspielen bei vollem und nacktem Körpereinsatz – im Bett, auf dem feinen Sandstrand und sogar auf dem Rücken eines Schimmels". Aber auch der Musical-Kinohit Mamma Mia! mit Meryl Streep, Pierce Brosnan und Colin Firth wurde auf Skiathos und der kleinen Insel-Schwester Skopelos gedreht. Eine turbulente Verwechslungskomödie mit vielen ABBA-Ohrwürmern. Von SOS bis Super Trouper, Take a Chance on Me bis Thank You for the Music. Im kleinen Open-Air-Kino wird hier seit Jahren nur ein Film gezeigt. Genau, Mamma Mia! Und seit der Hochzeitsszene in der Kirche Aghios Ionnis auf der Spitze eines 100 Meter hohen Felsens wollen immer mehr Verliebte wie Meryl Streep auf Skiathos heiraten. Eine zusätzliche Einnahmequelle für den Tourismus im krisengeschüttelten Land der Denker, Helden und Götter.

Wohnen


Kivo Art & Gourmet Hotel
Eine Traum-Location wie im Kino. Wahrscheinlich einer der schönsten Plätze Europas, um zu heiraten. Geschmackvolle Zimmer, hervorragende griechische und asiatische Küche. www.kivohotel.com

Kassandra Bay Hotel
Umgeben von Olivenhainen ist man hier mit wunderschönem Meerblick bestens aufgehoben. Zwei Salz- wasserpools und ein Kinderbecken.
www.kassandrabay.com

Tomato Beach Hotel
Preisgünstiges, gepflegtes Quartier nur 40 Meter von einem der schönsten Strände, dem Magali Amos Beach, entfernt. www.skiathoshoteltomato.gr

Essen


Taverne Amfiliki
Geheimtipp des Künstlers und Galeristen Theo Noutsos mit Traumblick auf den Hafen. Allerdings ist ein Zehn-Minuten-Fußmarsch unumgänglich. Aber oben dann geht’s los: Dolmadakia, Stifado und Fische in der Salzkruste …
info@amfiliki.gr

Restaurant Skuna
Kitschig schöner Sonnenuntergang, erlesene Weinauswahl und Essen, das seit den 1960er-Jahren traditionell zubereitet wird. Bis weit nach Mitternacht geöffnet. Inklusive Musik. www.scuna.gr

Restaurant Windmill
In einer renovierten Windmühle aus dem Jahr 1880 wird gediegene, mediterrane Küche geboten. Reservierung empfohlen – vor allem für den Honeymoon Table. mail@skiathoswindmill.gr

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