Die Dramatik der Toskana: That's Amore
Es ist nicht ganz einfach, die
Toskana als Tourist zu bereisen. Viel zu viele Trattorien, die man nicht unbesucht vorüberziehen lassen will. Viel zu viele Sehenswürdigkeiten, die man auf seiner persönlichen To-do-Liste abhaken möchte. Und, certo, viel zu wenig Zeit, um sich am viel gepriesenen Dolce Vita berauschen zu können.
Alles falsch.
Es ist selbstverständlich ganz einfach, die Toskana als Tourist zu bereisen. Jahrhundertealte Sehnsuchtsorte wie Florenz oder Siena schreien danach, mehrmals im Leben heimgesucht zu werden. So wie ein Glas Chianti, genossen im Chianti-Land, ebenfalls nach einem Da capo verlangt. Und wenn alle wieder über die Quallenplage im Mittelmeer jammern, kann man im Schatten der Zypressen frohlocken: Der nächste Sandstrand folgt erst hinter dem Horizont.
Und wenn jetzt jemand meint, schon wirklich jede Region der Toskana zu kennen, kommt einer wie der Florentiner Fotograf
Guido Cozzi und zeigt uns seine Heimat aus einer anderen Perspektive. Von oben. Ins Visier genommen von einem Heißluftballon oder von einer Drohne erkennt man erst, wie perfekt sich die Toskana als Gastgeber inszeniert. Immer schon.
Die Pinien dort drüben auf dem Hügel, die Bauernhäuser mit den Olivenbäumen, die herrschaftlichen Villen samt kultiviertem Park, das fast mittelalterliche Treiben auf den weitläufigen Piazze. Alles präsentiert sich hier, als warte es darauf, abgebildet zu werden.
Mehr noch. Irgendwie scheinen die Schauplätze sogar Seelenverwandte von Guido Cozzi zu sein. Oder alte Bekannte, die schon seit Längerem auf eine Aussprache drängen. Das trifft sich gut. Denn seit vielen Jahren ist es eine Obsession des Fotografen, für seine Motive in die Luft zu gehen.
Anfangs waren es lediglich Leitern und Türme, die Signore Cozzi emporkletterte, um die Welt einmal von einem anderen Standort in Augenschein zu nehmen. Dann verfiel er auf die Idee, die Landschaften langsam mit Heißluftballons zu überqueren. Für den Bildband „
Belvedere – in volo sulla Toscana“ ging der 56-jährige Landschaftsfotograf darüber hinaus an Bord von Segelflugzeugen oder klinkte sich furchtlos in Gleitschirme ein, um seiner gewohnten Arbeit neue Perspektiven abzugewinnen.
Die wahre Wundermaschine aber, die seine Toskana-Impressionen in den Rang der Besonderheit hebt, ist die Drohne. Von jenem geradezu unsichtbaren Fluggerät aus vermag er so atemberaubende Aufnahmen zu schießen, dass man als Betrachter inne hält und, wie man so schön sagt, "ein Aug aufreißt": Sind das nicht die elf Türme von San Gimignano, die weithin sichtbaren Wolkenkratzer des Mittelalters? Und das, ist das nicht die ovale Piazza in Lucca? Si si, ist es, tatsächlich. Großartig auch die Aufnahme der so genannten Balze von Valdarno bei Arezzo. Die bizarren Felsformationen haben es sogar Leonardo da Vinci angetan. Er war von diesem geologischen Wunder so sehr beeindruckt, dass er die Felsnadeln als Hintergrund seines berühmtesten Bildes wählte. Glauben Sie nicht? Dann googeln Sie „Mona Lisa“ und schauen einmal nicht, ob die Dame lächelt, sondern betrachten sie die dekorative Landschaft im Hintergrund genauer.
Ja, so hat man das wirklich noch nie gesehen. Eine Drohne macht’s möglich. Denn sie lässt sich so sanft über Land und Leute manövrieren, dass Aufnahmen gelingen, von denen Fotografen zuvor nur träumen konnten. Kein Wunder, dass der überschaubare Markt der „Fotobücher von oben“ derzeit mit Drohnenaufnahmen geradezu überschwemmt wird. In Österreich etwa sollen laut
ÖAMTC bis zu 100.000 Drohnen unterwegs sein. Natürlich, nicht alle auf einmal, nicht alle mit Kameras bestückt. Und nicht alle auf einem gemeingefährlichen Kurs. Aber nicht erst einmal machten übermütige Drohnenpiloten Schlagzeilen, weil sie mit ihren Geräten Notarzthubschraubern oder Passagiermaschinen verdächtig nah kamen.
Und auch Guido Cozzi muss man auf die Finger schauen. Denn auch er würde gerne mehr auf die Pauke hauen. Aber der Einsatz einer 20-Kilo-Drohne ist selbst im Frecce Tricolori-verrückten Italien verboten. Mit gutem Grund. Wenn ein derartiges Teil in verbautem Gebiet plötzlich runterfällt, ist ganz schnell Schluss mit lustig.
Der Verzicht auf das Wunderding macht aber nicht wirklich etwas. Der Mann mit den Adleraugen weiß sich zu helfen. Solange diese Regelung aufrecht bleibt, schnallt er sich eben, wenn es das Motiv verlangt, eine stabile Teleskopstange aufs Dach seines Fiat Panda. Die lässt sich immerhin auf bis bis zu zehn Meter Höhe ausfahren. Das Ergebnis ist, wie man auf den Beispielen dieser Seiten sieht, mit einem Wort, echt abgefahren.
Kommentare