Der Spion, der vom Himmel fiel

Der Spion, der vom Himmel fiel
Vor 55 Jahren brachte der Abschuss eines US-Spionageflugzeugs über Russland die Welt an den Rand eines Krieges. Als "Bridge of Spies – Der Unterhändler" kommt das Drama demnächst ins Kino – verfilmt von Steven Spielberg.

2015 ist ein gutes Jahr für Spione. Jedenfalls auf der großen Leinwand. Nach "Codename U.N.C.L.E." (unerwartet gut), "Kingsman: The Secret Service" (unerwartet albern) sowie "Mission: Impossible 5" (Tom Cruise in Wien!) kommt demnächst das Ost-West-Drama "Bridge of Spies – Der Unterhändler" ins Kino. Ein Film, dessen Oberfläche auf den ersten Blick altmodisch wirkt, der aber in Zeiten allgegenwärtiger Überwachung (Stichwort Snowden-Affäre) hochaktuell ist. Sein Thema: Agentenaustausch im Kalten Krieg. Dass Steven Spielberg dafür auf dem Regiestuhl saß, mag überraschen, erklärt sich jedoch aus seiner Biografie. Der Filmemacher wuchs zwar 10.000 Kilometer entfernt von der UdSSR in Arizona auf, aber eine Episode des Kalten Kriegs erlebte der damals 14-Jährige aus der ersten Reihe live mit.

Der Spion, der vom Himmel fiel

Spielberg: "Bald nachdem im Jahr 1960 die U-2 mit Francis Gary Powers abgeschossen worden war, war mein Vater als Techniker für General Electric in Russland." Eine Dienstreise, die sich zum Drama entwickelte. "Der Overall und der Helm des Piloten sowie Überreste des Flugzeugs wurden wie Trophäen am Roten Platz ausgestellt. Mein Vater und seine Kollegen wurden von Militärvertretern mit den Worten Schaut, was euer Land uns antut ins Gebet genommen."

55 Jahre später. Spielberg hat sich auf seine jungen, alten Tage – der Hollywoodregisseur feiert 2016 seinen Siebziger – an die beklemmenden Zeiten seiner Kindheit erinnert. Aber auch an die heiteren. "Spione haben mich schon immer fasziniert. Ich bin mit der Spion & Spion-Serie aus dem MAD-Magazin aufgewachsen."

Der Spion, der vom Himmel fiel

Die Ausgangslage von "Bridge of Spies – Der Unterhändler" ist weniger amüsant. Die Welt hat sich im Jahr 1960 noch nicht vom "Sputnik-Schock", der die Kompetenz der Russen in der Raumfahrt zeigte, erholt, als am 1. Mai über dem Ural eine Lockheed U-2 abgeschossen wird – aus 20.000 Metern Höhe. Offiziell wurde das Wunderding als "Wetterflugzeug" eingesetzt. In Wirklichkeit war es entwickelt worden, um sowjetische Raketenabschussrampen zu fotografieren.

Der Nervenkrieg um den Austausch des fast unverletzt gebliebenen US-Piloten Gary Powers gegen den russischen Atom-Spion Rudolf Abel zog sich über zwei Jahre hin und bildet das Herzstück des Thrillers, der vor Kurzem im Rahmen des 53. Filmfestivals New York Weltpremiere feierte. Das Echo in der US-Presse fiel überaus positiv aus. "Ein Feel-Good-Melodram über den Kalten Krieg", lobte das Branchenblatt "The Hollywood Reporter". Die "New York Post" prophezeit gar schon mehrere Oscar-Nominierungen.

Auftritt Tom Hanks. Er verkörpert James Donovan, einen biederen US-Juristen, der als Unterhändler der USA beim Austausch von Gary Powers (Austin Stowell) gegen Abel (Mark Rylance) seinen zweiten großen welthistorischen Auftritt hatte. Den ersten hatte er als Assistent bei den Nürnberger Prozessen, den dritten bei den Verhandlungen zur Freilassung von 1.133 Gefangenen des Schweinebucht-Desasters.Für Idealbesetzung Tom Hanks ist es nach dem Kriegsdrama "Der Soldat James Ryan", der Hochstapler-Satire "Catch Me If You Can" und der Flüchtlings-Komödie "Terminal" bereits die vierte Zusammenarbeit mit Spielberg. Das Ergebnis fesselt auch, weil die Coen-Brüder das Skript des britischen Dramatikers Matt Charman veredelt haben. Und was wurde aus dem Mann, der vom Himmel fiel? Francis Gary Powers starb im Jahr 1977 als Hubschrauber-Pilot für einen kalifornischen TV-Sender. Originell: Sein Sohn hat in "Bridge of Spies" einen Kurzauftritt als CIA-Agent, der das Training der U-2-Piloten überwacht.Apropos: Die vierte Fußnote, die Donovan in der Weltgeschichte hinterließ, schreit nach wie vor nach einer Verfilmung. Nur Monate nach dem Agentenaustausch auf der berühmten Glienicker Brücke in Potsdam wollte die CIA die guten Beziehungen zwischen dem US-Anwalt und Kubas Máximo Líder nutzen. Donovan sollte Fidel Castro einen mit Hautpilz verseuchten Neoprenanzug und einen mit Tuberkulose verseuchten Atemregler schenken. Doch der unbestechliche Unterhändler zeigte neuerlich Flagge – und überreichte Castro stattdessen seine eigene unverseuchte Tauchausrüstung.

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