Cornelius Obonya

Cornelius Obonya
Cornelius Obonya, 44. Der neue „Jedermann“. Im alten Spiel vom Sterben des reichen Mannes auf dem Salzburger Domplatz.
Von Ro Raftl

Der Mann. Jedermann, ab 20. Juli am Salzburger Domplatz. Großes Brimborium. Blitz, Blitz, Blitz, Pressekonferenz, lange Interviews, kurze Wortspenden. Ein Neuer mit einer neuen Buhlschaft in einer neuen Inszenierung. Fanfare! Cornelius Obonya, 44, verheiratet, ein Sohn, ist der „Jedermann 2013“. Und 14 und ...? „Nein sicher keine Schiene, auf der ich mich die nächsten zehn Jahre anschweißten lasse!“ Klingt klug. Aber was für ein Mann ist dieser Jedermann? Hörbiger-Kopf, unverkennbar, markanter Quadratschädel, Augen Nase Mund gefiltert durch die Züge seiner Mutter Elisabeth Orth und seines Vaters Hanns Obonya. Bestes klassisches Burgtheaterdeutsch, wienerisch gefärbt. Familienton. Der Sohn ergänzt es um deutliches Hochdeutsch. Naturtalent, denn Sprechunterricht hat´s nicht gebraucht, Cornelius O, mit 18 schüchtern, unausgegoren, dicklich, ging nach nur einem Jahr Reinhardtseminar als Kabarettistenlehrling zu Gerhard Bronner: „Sie suchten Ersatz für Erwin Steinhauer im ,Guglhupf’. Ich hab meine Stimme trainiert, um ähnlich zu klingen, und war plötzlich mittendrin.“ Eine tolle Schule für Genauigkeit und Tempo.“ Und: „Auch mein Vater hat schon Kabarett gemacht.“ Der Vater. Cornelius hat ihn verloren, als er neun war, viel zu früh, „ein heftiger Schlag, ein lebenslanges schweres Vermissen.“ Will an ihn denken, wenn er sich auf dem Domplatz Jedermanns Ausgesetztsein stellen muss. Hat als Kind gespürt, wie sich Schmerz anfühlt. Ein lieber Gott mit weißem Rauschebart konnte ihn ein bisschen trösten. Damals. Seine Mutter erfand eine Geschichte, als auch Rolf Bigler, der Mann seiner Tante Christiane, der Vater seines Cousins Sascha, am Herzinfarkt starb: „Jetzt stehen eure Väter an einer himmlischen Bar, trinken Whiskey und rauchen schwere Zigaretten. Können ihren Gelüsten frönen, und es schadet ihnen nicht mehr.“ Schön. Selbst wenn CO seit langem konfessionslos glücklich ist. „Ohne Gottes Bodenpersonal. Lieber in freiem Flug und angstfrei! Da ist mir Kants kategorischer Imperativ näher. So, dass mein Tun der Gesellschaft nicht schadet. Werde ich zur Verantwortung gezogen, kann ich mich verantworten. Muss aber deshalb nicht mein Leben bis zum Tod in Angst verbringen: Es gibt so viel zu tun.“

Sein Sohn Attila ist jetzt sieben. Ja, Attila wie Cornelius’ Großvater, der acht Sommer lang den „Jedermann“ gespielt hat, vor dem Krieg und nach dem Krieg. Mit ihm verglichen zu werden, hielte CO für „blödsinnig, denn er wird immer mein Jedermann sein“. Den Sohn aber würde er „weder besonders hindern noch besonders fördern, sollte er Schauspieler werden wollen“. Einstweilen bekommt er Hörbücher. Als Vater möchte er „einfach für ihn da sein, ihn begleiten – länger hoffentlich, als ich begleitet worden bin“. Hofmannsthals katholischen Bühnenschluss mit Reue und Erlösung hält der einstige Kalksburger Jesuitenschüler „heute für äußerst schwierig – aber er funktioniert. Überall. Denn keiner weiß, was nach dem Tod passiert“. Der schottische Philosoph David Hume half ihm, seine Glaubensfrage zu klären: „Ich kann nicht beweisen, dass es Gott gibt. Ich kann aber auch nicht beweisen, dass es ihn nicht gibt. Ich kann mich nur entscheiden, zu glauben oder nicht“, hielt Hume im 18. Jahrhundert das erste Plädoyer für eine freie Gewissensentscheidung. Das fand der „faule Hund, der schlechte Schüler“ CO interessant. „Denn gut war ich nur in den Fächern, die mich neugierig gemacht haben.“ Ansonsten litt er an allen Einsamkeiten eines Pubertierenden, dessen Mutter berufstätig ist: „Damals haben wir massiv gestritten. Zu meinem Glück nahm sie mich dann aber ganz früh als Kollegen ernst. Ging rein profimäßig zur Sache: ,Gut, schlecht, wobei könnte ich dir einen Tipp geben? Das konnte ich annehmen. Schweigen und zuhören.“ Zusatz in Dankbarkeit: „Erwartungs- oder Erfolgsdruck hat sie nie ausgeübt. Damit mussten alle drei Hörbiger-Töchter umgehen, dass auch alle drei Söhne diesen wahnsinnigen Beruf ergreifen wollten.

“Müßig, zu diskutieren, ob es Schauspieler-Gene gibt. Der Bub von der Orth, der Enkel von Attila Hörbiger und Paula Wessely führt sie auf der Bühne vor. In schöner Bandbreite, in interessanten Kontrasten. An der Berliner Schaubühne, am Burgtheater, und: In Scheuba / Hennings kabarettistischem Dreijahres-Hit „Cordoba“ im RabenhofTheater. Obonya gegen Obonya in einem springinkerlhaft lebendigen Dialog zwischen einem Wiener und einem piefkinesischen Fußballraubein. Wui! Welche Präzision im Dialektwechsel. Welches Feuer! Ein Kritiker verglich ihn daraufhin mit Danny Kaye. Gut, ein Mann, der Fußball liebt, Meisterschaftsspiele im Fernsehen schaut – und nicht nur seiner Frau aus Osnabrück zu Ehren lieber deutsche. Werder-Bremen hält Obonya die Daumen seit seiner Schaubühnenzeit in den Neunzigern in Berlin. Unmittelbarer beeindruckte er mit Albert Camus’ römisch-kaiserlichem Sadomonster „Caligula“ im Burg-Kasino. Und im großen Haus am Ring mit dem Rappelkopf in Raimunds Zaubermärchen „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ als beinah klinischer Studie eines Paranoikers, eines schwer jähzornigen noch dazu. Dabei erlöst der Schauspieler, was er irgendwann früher über sich selbst gesagt hat: „Ich bin ein klassisches Häferl.“ Könnte mittlerweile „war ein Häferl“ heißen, meint CO: „Ich explodier nicht mehr so schnell – auch dank Hilfe meiner Frau. Übe Gelassenheit. Bin ja auch nicht mehr zwanzig.“ Der Mann und seine Frau. Die „richtige“ Frau. offensiver an denn je.“

Carolin Pienkos, 2001 frisch angeheuerte Assistentin von Andrea Breth. Ein Liebesroman auf den ersten Blick im Mai in der Kantine des Burgtheaters. Er erzählt ihn lebendig, jedes kleine Hindernis bis zum 27. Juni – als sie endlich in Ruhe miteinander reden konnten. „Ich hab in den ersten zehn Sekunden gespürt: Das ist die Frau, die ich heiraten will und mit der ich ein Kind möchte“, sagt Obonya. Was ihn so anzog? „Klassisch: Die Gegensätze. Wir sind so unendlich verschieden. Schon in unseren Vergangenheiten. Sie kommt aus der Bremer Kulturwissenschaft & Germanistik, einem studentisch-bunten Milieu, inklusive Wohngemeinschafts-Chaos. Dagegen hab ich mit zwanzig fast konservativ mit mir alleine gelebt. Das Angenehmste aber war: Sie hatte kein Interesse an allem, was meine Familie betrifft. Fand’s schön, doch der sogenannte Hörbiger-Clan gehört in Nord-Deutschland nicht zum Allgemeingut. Ach, sie denkt so klar, so schnell, spricht alles offen an. Ich lavier typisch österreichisch viel mehr rum. Wir können so lustvoll streiten. Und über die gleichen Sachen lachen.“ Humor, feinen und drastischen, hat Obonya vergangenes Jahr in Sven-Eric Bechtolfs Salzburger „Ariadne“-Inszenierung gezeigt. Kam als tänzelnder Monsieur Jourdain, als schwerreicher Bürger mit Adelstick zum Kichern und Abbusseln liebenswert (und gewollt) peinlich über die Rampe. „Grauenhafter Geschmack, aber gewaltige Wissbegier“, schmunzelt er selber: „Immerhin kauft sich Jourdain Kultur. Fast ein Gegenentwurf zum Jedermann. Der hat so unfassbar viel Geld, dass er sich alle Bücher der Welt kaufen könnte, doch er kauft sich Leut’. Die Vettern, die Tischgesellschaft, die Frauen. Zur Selbstbestätigung. Ein klarer Deal. Beklemmend hart.“ Dass der Humor im Jedermann nicht auftritt, bedauert Obonya: „Darum hat er auch keine echten Freunde. Tja, in einer frühen Fassung des Stücks hat’s Hofmannsthal mit Wiener Dialekt versucht, doch schnell kapiert, dass es nicht mehr mit der Grundangst funktioniert, wenn man den Tod weglachen kann. Griff daher auf das altenglische Mysterienspiel Everyman zurück: Eine Wandertruppe kommt in die Stadt und erzählt von Leben, Tod und Errettung.“

An diese Version sollen auch die neuen Regisseure, der Brite Julian Crouch und der Amerikaner Brian Mertes anknüpfen wollen. Wir werden es sehen. Geben vorerst Douze Points an den neuen Jedermann. CO kennt jedes süffige Zitat aus der 102 Jahre alten, zynisch verspotteten, wild diskutierten, jeden berührenden, Aufführungspraxis von Hofmannsthals tränentreibender Allegorie des christlichen Weltgefüges. Arbeitet sich an der knittelversig mittelaltertümelnden Sprache ab, „eineinhalb Monate brauch ich schon, bis alles so sitzt, dass ich blind damit gehen kann“. Spürt dem Typus des allzu reichen Mannes nach, den sein Besitz bis zur Daseinsmelancholie überfordert, um ihn schlüssig festzumachen. Ja, ein Egomane, ein Big Player, ein Mann, der sich alles leisten und viel erlauben kann: Den Schuldknecht in den Kotter zu stecken. Die Sorgen der Mutter abzuwimmeln. Sich eine Edelkurtisane wie die Buhlschaft „zu halten“. Natürlich muss er ihr auch einen Lustgarten schenken. Obonyas Sache wären solche Offensiven nicht: „Grässlich. Viel zu anstrengend. Käme mir vor wie Dominique Strauss-Kahn.“ Er hat Carolin. Sagt: „„Seit wir uns kennen, weiß ich erst, was Liebe ist.„ Ist „unglaublich gerne Mann“, definiert ihn aber lang über mehr als den Testosteronspiegel. Ein richtiger Mann? „Ein richtiger Mensch. Liebesfähig, beziehungswillig, rücksichtsvoll, imstand, eingefleischte Gewohnheiten aufzugeben, ohne sich zu verbiegen. Denn echte persönliche Eigenheiten wird der andere besonders lieben, wenn er dich liebt.“Seine Mutter habe in seinen Anfängen händeringend gefleht: „Schau, dass du möglichst spät heiratest. Schau, dass du die Richtige findest.“ Er denkt, Jedermanns Mutter könnte es auch so meinen, wenn sie ihn – umgekehrt – zur Heirat drängt. „Die alte Frau steht mit einem Fuß im Grab, weiß, dass man alleine sehr einsam sein kann. Wünscht, dass er sich ändert: Bemüh dich, den Menschen zu finden, mit dem du dein Leben verbringen willst. Werde endlich ein richtiger Mann! Das Herumhuren ist nicht männlich. Du kannst es, weil du Geld hast und noch jung bist. Aber ...“ Obonya sinniert den Text entlang: „Vielleicht meint es Jedermann ja auch ernst mit der Buhlschaft? Redet immer davon, wie gut sie ihm tut. Vielleicht ist sie die Frau, die er lieben könnte?“Lacht. Weil er ohne Erwartungen an einen Hörbiger-Spross bei Carolin von Anfang an der Mensch sein konnte, der er ist: „Aber auf die faule Haut legen ginge gar nicht. Ich grab sie nach zehn Jahren Ehe

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