Himmel! Da thronte das Nougatauge auf „Eins rechts“ in unserem früheren Stammcafé, dem „Engländer“. Ich hatte ihn über Jahre nicht gesehen und auch seine tolldreiste Freundschaftsanfrage in der Gesichtsbücherei vor einigen Wochen kaltschnäuzig ignoriert. Take this, Ex-Nougat! Da könnte ja ein jeder kommen, außerdem hab ich bereits 4.999 liebe Freunde. Was glaubt der Mann eigentlich, der in meinem Archiv der Schmerzen unter „S“ wie Sargnagel eingeordnet ist? Blöd auf meinem Herzen Trampolin springen und dann nach acht Jahren Funkstille eine so lapidare „Hallo, wie geht’s denn so?“-Botschaft lospfeffern? B-L-E-N-D-A-X natürlich, aber das konnte ich ihm leider nicht reiben, denn ich war ja damit beschäftigt, ihn schweigend zu ignorieren. Verdammt! Ausgerechnet heute hatte ich meine Frisur zu Hause vergessen. Und mein Outfit atmete den Geist unglamouröser Werktätigkeit, schließlich hatte man als Frau von Welt Wertvolleres zu tun, als sich mitten am Tage aufzubrezeln. Wenn man sich schon damit abmüht, jemandem dessen Bedeutungslosigkeit zu signalisieren, wäre panische Flucht kontraproduktiv. Ich blieb also souverän stehen und sülzte extraklebrig: „Wie schön, dich zu sehen!“ Gloria victoria! Was hatte der Mann, für den ich einst in Sack und Asche nach Südamerika gerobbt wäre, für einen Altersschub hingelegt. Haaransatz im Schweinsgalopp in die ganz falsche Richtung, auch seine Gesichtszüge sollte er dringend einmal mit dem Lasso einfangen. Ich reichte ihm die Hand, er erhob sich nicht, der Rüpel! Er erkannte an meinem Blick, dass ich diese Manieren für unterste Kajüte hielt. Und dann sagte er den schönsten Satz, den ich je aus dem Mund eines einst so wahnwitzig geliebten Mannes gehört habe: „Verzeih’ bitte, dass ich nicht aufstehen kann, aber ich habe eine frisch operierte Hüfte.“

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