„Einen Branzino? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ Meine Freundin K klammerte sich an den Telefonhörer wie eine Ertrinkende. Sie telefonierte gerade mit ihrer Schwester. Sie war blass um die Nase, atmete dann aber tief durch, um sich für die nächste Runde fit zu machen. „Es wird auch dieses Jahr einen Kalbsnierenbraten am Dreikönigstag geben wie schon die letzten 15 Jahre. Und zwar einen von mir mit Liebe und Hinwendung zubereiteten Kalbsnierenbraten mit einem ehrlichen Püree und Kohlsprossen, den deine armen Kinder und dein unnötiger Mann unter Ach- und Oh-Geächze verzehren werden. Punktum. Und das ist für mich nicht mehr df.“ Das familieninterne Kürzel für nicht diskussionsfähig, wie ich dann erfahre. „Scheiß Handys!“ konstatierte sie nach dem Ende des Gesprächs „in guten, alten Festnetzzeiten hätte man nach einem solchen Eklat wenigstens noch malerisch den Hörer auf die Gabel krachen lassen können.“ Warum sie die Branzino-Proposition in eine Art familiären Nahostkonflikt stürzte, erklärte sie mir später. Nach dem Tod der ersten Kalbsnierenbraten-Göttin, ihrer Großmutter, habe sie die letzten Jahre mit Bravour deren monumentale Fußstapfen ausgefüllt. Der wahnwitzige Fisch-Vorschlag wäre doch nichts als ein Indikator für den blanken Empathie-Mangel der Schwester. Abgesehen davon, dass die Schwester vor Neid zerfressen ist, weil sie, die Nieren-Halbgöttin, so viele Komplimente bekommt und im Mittelpunkt steht. Pfuhh! Weihnachten, inklusive der letzten Festtagszuckungen, sind wirklich Vollmond-x-Menstruationsbeschwerden, hoch Föhneinbruch, was das Empfindlichkeitsniveau betrifft. Allerhöchste Zeit, dass die Tage länger werden. Und man seine inneren Kinder wieder einmal für ein Zeitelchen in den Keller des Unbewussten verbannt. Bis Ostern zumindest.
Tipp:
Eben auch als Hörbuch im Mono-Verlag erschienen, gelesen von Maria Happel.
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