It’s too late, Johnny

Wie aus einer Panikattacke ein Gin’n'Tonic wurde.

Aus der Ferne erblickte ich den Mann, der einst mein Herz nicht gebrochen, sondern zertrümmert hatte. Ich überlegte auf die andere Seite zu wechseln, während ich mich auf Panikattacken und anderes übles Zeug einstellte. Doch mein Körper zeigte sich lobenswert gelangweilt, es tat sich nichts. Also blieb ich auf der Spur. Jetzt wollte aber dieser Spaßverderber den Fluchtweg antreten und drehte um. Nicht mit mir. Ich tippte ihm auf die Schulter: „Wie schön, dich so lange nicht gesehen zu haben ...“ – Er stotterte: „Ich wollte dich immer wieder anrufen, dachte, wir sollten einmal reden ...“ – „Reden? Aber worüber denn?“ – „Naja, es war nicht die feine Art, wie ich damals ... du weißt schon.“ – „Ich habe mir längst verziehen, dass du mich unglücklich gemacht hast.“ – Er brauchte ein Weilchen, um die Pointe zu schnallen, und fragte dann etwas halbherzig: „Ein schneller Kaffee?“ – „It’s too late, Johnny.“ – „Wieso Johnny?“ – „Ich zitiere die Dietrich, sie nannte Gabin „Johnny“. Nachdem der nach endlosem Hin und Her zu seiner Frau zurückgekehrt war, kam er dann noch ein letztes Mal angekrochen, um wegen einer Ehrenrunde vorstellig zu werden. Da blies Marlene nur unsagbar müde ein paar Rauchkringel in die Luft und seufzte: „It’s too late, Johnny.“ Es war, zugegeben, ein bisschen viel Text für eine Replik auf den Kaffee gewesen. Aber mein Reserve-Johnny würde in seinem Leben noch ausreichend Gelegenheit haben, mit schweigsamen Frauen zur Ruhe zu kommen. Abends las ich einen schönen Satz in Djuna Barnes’ „Ratgeber für kultivierte Frauen“: „Meine Mutter glaubte an die Liebe, denn sie hatte sie nie erlebt.“ Den schnellen Kaffee habe ich auf ein langsames Gin’nTonic umgeleitet, ganz ohne eisige Grundsatzgespräche. Man sollte seine Energien nur für Schlachten mobilisieren, die sich auch wirklich lohnen.

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