Stoppt die Gesundheitspolizei
Überall Verkündigungsbedarf, wie man leben soll. Vor allem auf der Befindlichkeits-Bassena Facebook. Da prahlen frische Extrem-Nichtraucher, wie viele Fantastillionen Zigaretten sie seit ihrem Unabhängigkeitstag schon ausgelassen haben. Da knallen einem Yoga-Bräute um die Ohren, wie spitzenmäßig ihre Verdauungstrakte funktionieren, seitdem sie ihre Ernährung auf Eichhörnchen-Modus umgestellt haben. Unlängst landete in meinem Spam-Ordner das Angebot eines Vegan-Versands, der mir Tofu-Ribs, Chili con Leinsamen, aber auch die richtige Süßlupinen-Kürbiskernmischung für Wüstenrennmäuse, an denen einem etwas liegt, verklickern wollte. Meine zukünftigen Ex-Kumpels nippen nach der Hacke in Smoothie-Höllen Holunderblüten-Granatapfel-Bionaden, statt ihre Hirne mit einem menschenwürdigen Gin'n’ Tonic in Spelunken gleitfähig zu halten. Man ist umzingelt von Gesundheitspolizisten, die Menschen wie mich (also Teilzeit-Raucher, Lusttrinker und Leberkäs-Liebhaber) rundum als primitives Versagermodell empfinden. Ich bewerbe mich sofort als Schirmherrin der hedonistischen Partei Österreichs. Und danke meiner Mutter, dass sie mich einst zu Au-pair-Diensten nach Frankreich und Italien verschickt hat. Dort habe ich essen und kochen gelernt. In Wahrheit muss man Balzac nacheifern: Er verschwand immer wieder in der Entsagung, um nach einem vollendeten Roman erneut volles Kanonenprogramm zu völlern. Ganze Armeen von Kapaunen und Rotwein-Fässer mussten dann her. Und er schrieb viele Romane. Und eines noch, ihr Nikotin-Zuchtmeister, Nüsschenfresser und Genuss-Allergiker: Lebt doch gesundheitsbewusst, bis der Arzt kommt, aber breitet darüber bitte den Mantel des Schweigens. Denn ich habe eine hochwertige Zwangsbekehrungs-Intoleranz.
Kommentare