Zweisamkeitsreligion

"Wir werden sehen, weil nächste Woche sieht es bei uns schlecht aus...“

Die Einzahl war in Ks Vokabular abgeschafft worden, sie dachte nur mehr im Tandem. In ihrem Sonnensystem existierte ausschließlich der Planet Wir. Jahrelang war sie, wild entschlossen zur Zweisamkeit, durch Onlineforen und den Bartresen-Dschungel gepirscht, um endlich „den Richtigen“ zu bergen und diese Beute danach entsprechend zu sichern. Und wie zum Judentum konvertierte Frauen, die dann Klassenbeste beim koscheren Leben sein wollen und ihre Glaubensgenossinnen bei allen Ritualen zu übertrumpfen suchen, oder angeheiratete Aristokratinnen, die sich bemühen, ihre bürgerliche Herkunft durch so ein auffrisiertes Schönbrunn-Deutsch zu kaschieren, warf sich K mit Verve in ihren neuen Glauben: die Zweisamkeitsreligion. Ihr neuer Lebensinhalt war herbergsuchender Scheidungswaise aus dem IT-Bereich, der mit seinem Chamäleon-Paar Tristan und Isolde ratzfatz bei ihr eingezogen war. Tristan und Isolde brauchten täglich lebende Insekten zum Lunch. Ein ziemlicher Stress, aber „sie geben uns so viel zurück“. Der Scheidungswaise konnte einem richtig leid tun, denn er musste als „We-people-person“ dauernd so schrecklich glücklich sein, dass er schon richtig blass um die Nase war. Als er K beibringen wollte, dass er am Wochenende mit seinen Kumpels Fliegenfischen gehen wollte, bekam seine Neo-Symbiose-Junkie-Lebensgefährtin eine solche Krise, dass sie spontan und ganz allein Zeit für einen Kaffee mit mir einforderte. „Das Wochenende gehört doch uns!“, klagte sie. Ich seufzte nur: „Lass uns stark sein, da müssen wir jetzt durch. Außerdem: Fliegenfischen ist ohnehin nicht so unseres.“ – „Das finde ich nicht komisch“, sagte K beleidigt. Das war uns – meinem Humor und mir – aber wieder herzlich egal.

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