Probierballette

Man möchte nach 20 Uhr 15 wie eine Frau behandelt werden.

Unlängst ging ich mit einem Mann, dessen Augen gefährliche Reminiszenzen an den Nougat aufkommen ließen, dinieren. Es war ein Abend, den man nicht glas-, sondern flaschenweise begrüßen sollte. „Such aus“, sagte er und hielt mir die Weinkarte hin. Als der Ober das Probierballett veranstaltete, reichte der nicht ihm, sondern mir das Glas zum Verkosten. Oiwee! Da ich nach 20 Uhr 15 gerne manchmal wie eine Frau behandelt werde und das nur gelingt, wenn man Männer auch als Männer und nicht wie verhaltensoriginelle Kinder behandelt, deutete ich ihm, den Testschluck dem Herren zu reichen. Ich hatte keine Lust, dass dessen Laune nach dem Kastrationsakt seitens des Servierpersonals in den Keller absackte. Der Herr rächte sich, in dem er die Flasche zurückschickte und nach einem unblumigeren Modell verlangte. Das gefiel mir. Ich dachte an meine Freundin Zelda Fitzgerald, die Frauen ermahnt hatte, „ihre rosarote Hilflosigkeit“ zum Einsatz zu bringen. Die Autorin Katja Kullmann erzählte mir, dass in den Jahren, in denen sie auf Hartz IV über Tage an einer Packung Toastbrot herumkaute, ihre Anbaggerquote in den Himmel schnellte. Männer rochen diese Chance zur Überlegenheit einfach. Das Arme-Hascherl-Syndrom brachte sie zum Rotieren. Im Toilettenspiegel übte ich den Bambi-hat-seine-Mutti-verloren-Blick. Selbst bei den Pradler Ritterspielen wäre ich mit der Nummer hochkantig rausgeflogen. Inzwischen hatte er mir ein Glas Champagner und ein Dessert kommen lassen. Er hatte nicht viel Geld und genau deswegen fand ich diesen Akt der Fremdbestimmung besonders hinreißend. Ich errötete Lady-Di-würdig und hatte völligen Pointen-Block. Möglicherweise war das so ein Moment rosaroter Hilflosigkeit und er fühlte sich gar nicht einmal so schlecht an. Danke, Zelda!

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