Nicht-geliked-Krisen
Er hat mein Posting nicht geliked, saufies, oder?“ Nein, diese Aussage stammt nicht von einer fidel pubertierenden Sophievalerielea, sondern von M, einer Frau in den allerbesten Jahren. In der prae-Gesichtsbücherei-Zeit konnte man den Zuwendungsgrad eines Herren noch an der Zahl der auf Büttenpapier mit dem Gänsekiel geschabten Ergüssen ablesen. Heute darf das Zeitintervall zwischen ihrem Posting und seiner Gefällt-mir-Meldung nicht zu lang sein. Es spielt auch dann Ramona, wenn er auf Facebook seinen Beziehungsstatus nicht sofort mit Herzchen-Zierleisten auf „Is in a relationship“ ändert und weiter Single bleibt. „Neinneinnein“, zerbröselt K ein virtuelles Damoklesschwert über ihren neuen Lebensmenschen, „das hat er nicht verschlampt, er will sich einfach noch andere Optionen offenhalten. Dreckskerl“. Potenzielle Partner, die sich dann doch eher als seelische Bastlerhits auf dem Paarungsmarkt herausstellen, werden neuerdings einfach mit dem Satz „Ich hab für den Mann/die Frau einfach keine App!“ entsorgt. Liebeserklärungen mit Emoticons in Form von gelben Gesichtern, aus denen Kusskirschen aufsteigen, per SMS verschickt. Und auch in der Dating-Kultur haben sich tektonische Verschiebungen ereignet. Als ich in Paris war, sah ich in den romantischsten Bistros Paare sitzen, die liebevoll mit dem Finger über das, was ihnen am nächsten war, strichen: Den Touchscreen ihres iPhones. Gegessen werden durfte erst, nachdem das Essen geposted und dann noch ein schnelles „Usie“ hinterhergejagt (=Selfie mit 2 Menschen) worden war. Am unterhaltsamsten krank aber waren japanische Brautleute, die acht Gänge verzehrten, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Er hatte einen Knopf im Ohr, um live einer Sportveranstaltung in Tokio lauschen zu können. Null App fürs Leben, die Japaner.
TIPP: Die Burgschauspieler Maria Happel und Johannes Krisch lesen Alma und Oskar, in Polly Adlers „Schwimmenden Salon” in Bad Vöslau, 27.6. – 19 Uhr, Karten um 15 Euro unter schwimmender.salon@voeslauer.at
Kommentare