Supercalifragilistisch

Da flog Mary Poppins mit ihrem Regenschirm aus dem Theater. Ich konnte mich nur knapp davor bewahren, ihr traurig nachzuwinken. Wir waren mit den Patenkindern unterwegs, der Fortpflanz und ich. Während die Kids die Sache ziemlich cool nahmen, tropften bei der Familie Adler die Tränen. Ich wartete auf das obligate „Mama, hör auf zu heulen. Das ist peinlich!“ Doch der Fortpflanz flüsterte nur: „Ist ja auch herzzerreißend.“ Ich dachte an P.L. Travers, die Schöpferin des Fremdbetreuungs-Märchens, der durch den Tod des Vaters im Alter von sieben Jahren ihre Kindheit unter den Füßen weggezogen worden war. 1923 hatte sie sich als junges Mädchen allein und mit gerade zehn Pfund in der Tasche von Australien nach England aufgemacht. Dort publizierte sie unter dem Namen ihres Vaters und tingelte als Schauspielerin durch schäbige Bühnen. Das Märchen von der supermagischen Nanny hatte sie auch erfunden, um sich vor ihren eigenen Schmerzen zu schützen. „Glück“, lässt sie die Fantasie-Anarchistin Poppins sagen, „Glück hab ich doch gar nicht nötig.“ Das war auch schon der Satz, den ich mir mit nach Hause nahm. Glück ist nämlich kein Zufall, der sich aus Planetenlaunen ableitet, sondern Gestaltungswille. Ich dachte an jene Menschen, die in die Kategorie Dauer-Jammerpepis fielen: Sie nörgelten über die Gemeinheiten des Schicksals und bewegten sich dabei keinen Zentimeter von ihrem Trampelpfad. Lähmend passiv. Manche von ihnen erhofften sich durch Glücksindustrielle wie den Dalai Lama und Paolo Coelho Erlösung. Manche schrieben Briefe an das Universum, in denen sie ihre geheimsten Wünsche offenbarten. Dann beschwerten sie sich darüber, dass das unerzogene Universum nicht einmal Mucks gemacht hatte. Merke: Briefe an das Universum sollte man einfach nicht nötig haben. Ist viel zu wenig supercalifragilistisch.

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