Freundliche Stahlbäder

Stutenbissige Wettbewerbe um das perfekte Leben.

Der Wettlauf um das perfekte Leben ist eine stahlharte Disziplin. Jeder möchte erster sein und der Konkurrenz den Mittelfinger zeigen. Wenn es Menschen bei diesem Rennen dann doch aus der Spur haut, rekeln sich manche besonders wohlig in ihrem Leo. K ist keine Freundin, sondern eine ferne Bekannte. „Also, meine Liebe“, schürzte sie ihre auf Schlauchbootformat aufgepumpten Lippen voll Gossip-Vorfreude, „unsere Freundin H wurde verlassen. Nach 18 Jahren Ehe ... Jetzt gilt es Schwesternsolidarität zu zeigen.“ Sie fischte sich einen Tofucracker: „Obwohl ... sie muss jetzt erst einmal allein Trauerarbeit leisten. Dabei kann ihr dann doch keiner helfen. Ganz unschuldig ist sie natürlich nicht ... In den letzten Jahren hat sie sich sehr gehen lassen. Eine glatte 42!“ Eine Ingwer-Bionade später war sie sich dann sicher: „Und jetzt heißt es flugs einen Stacheldrahtzaun um die Männer errichten. Solche Plötzlich-Single-Frauen krallen sich in ihrer Verzweiflung ja gerne jene Gatten, die auch nur ein bisschen Erlebnishunger signalisieren.“ Ich dachte an Ks „Meinigen“, der, wann immer es sein Herzrhythmus erlaubte, auf ein Segelboot flüchtete. Vielleicht hatte das auch damit zu tun, dass K unheilbar dauer-seekrank war. Sie unterbrach meine Gedanken mit einer messerscharfen Eingebung: „Vielleicht sollten wir unsere Freundin einfach in ihr neues Leben entlassen. Und ihren Ex mit der Neuen sozial mitspielen lassen. Das würde eigentlich mehr Sinn machen.“ – „Bloß nicht“, sagte ich, ohne einen blassen Schimmer von der Person zu haben, „die Neue sieht aus wie ein Supermodel vor dem Ruhestand – wasserblaue Augen, Beine bis zum Himmel, gerade einmal 35. Das würde erst recht für Aufruhr im Karton führen.“ Jetzt verlor das Schlauchboot in ihrem Gesicht merklich an Luft.

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