Borderline-Flaneure
Es war drei Uhr morgens, als mein Freund Z mit seinem Graupapagei Kreisky auf der Schulter an meine Tür trommelte. „Ich brauche Asyl, Polly“, flüsterte er, „meine zukünftige Ehemalige dreht gerade durch.“ – „Redest du von der, die du vor acht Monaten mit Donner und Granaten geheiratet hast? Ich habe heute noch einen Muskelkater vom Ausdruckstanzen. „Le freak, c’est chic“. – „Bingo, genau die. Sie ist verrückt. Und gefährlich.“ Ich holte ihn rein, der Graupapagei blickte gleichmütig. „Tea, coffee or me?“ – „Tee für Erwachsene“, antwortete er, was in Zs Kosmos das Synonym für Whiskey war. „Also, was war los“, fragte ich in meinem besten Vera-Russwurm-nimmt-sich-ein-Murenopfer-zur-Brust-Tonfall. – „Sie hat mir den Kompostmüll in den Koffer gepackt, als ich auf ein Führungskräfteseminar musste. Sie hat die ganze Wohnung in eine crèmefarbene Hölle umgestaltet. Ich wusste gar nicht, wie viele Beiges man hassen kann. Als ich den vergangenen Scheiß-Valentinstag vergessen habe, hatte sie den ersten Kabelbrand. Sie hat sich mit meiner Kreditkarte zehn Fleuropsträuße, Kategorie A, anliefern lassen. Wie konnte ich mich in dieser Frau nur so täuschen?“ – „Ein Oxford-Professor, Spezialgebiet Psychopathologie, hat mir einmal erzählt, dass solche Borderline-Flaneure Spitzenkräfte in der Camouflage ihres wahren Ichs sind. Die war offensichtlich hochintelligent, die Frau.“ – „Dachte ich’s mir doch“, grinste er, „intelligente Frauen muss man weiträumig umschiffen.“ „M-I-S-T-K-E-R-L“, krächzte der Papagei jetzt fünf Mal am Stück. Z knurrte: „Halt die Klappe, Kreisky. Sonst bekommt Stiefmutti die alleinige Obsorge!“ Kreisky erkannte den Ernst der Lage und flötete „G-I-B B-U-R-L-I B-U-S-S-I !“ – ein Kunststück, dass ihm die vorletzte Ex beigebracht hatte. Tiere können ja so viel Freude machen.
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