Beratungsresistenz

Mein Schatz ist jetzt selbstständiger Berater“, sagte K und seufzte. „Wen berät er denn so?“ – „Firmen.“ Wie viele Berater verträgt der Arbeitsmarkt so eigentlich, fragt man sich insgeheim. Aber man will natürlich auch kein Spielverderber sein. Denn wahrscheinlich dient die „Ich-bin-jetzt-Berater“-Formel nur als Tarnung für den nicht gerade salonfähigen Zustand der Berufslosigkeit. Aber K musste jetzt ohnehin los, ein Termin bei ihrem Anti-Nikotin-Zuchtmeister. Er coacht sie durch die ersten Wochen des Tschick-Entzugs. Sie riechen gemeinsam an alten Aschenbechern, schütteln sich dann in Stereo-Ekel und malen die Dinge, die K sich mit dem frei gewordenen Geld kaufen wird, mit Fair-Trade-Ölkreiden auf eine Wand der „positiven Gefühle“. Zuvor hatte sie einen Ernährungscoach an der Angel, der ihr Ziegenkäse ab der Fünfzig-Prozent-Fett-Region aus dem Mund schlug. Mittlerweile gibt es für alles Coaches und Berater – für emotionale Abrüstung bei Trennungen, verhaltensoriginelle Kinder, Sexsucht, den Bau von Hochbeeten, Trauerbewältigung bei Haustiertoden. Der zivilisierte Mensch hat sich in den Zustand der freiwilligen Selbstentmündigung begeben. Der Fortpflanz hat diese Marktlücke bereits sondiert, denn er läuft über Stunden telefonberatend durch die Wohnung. „Also, du wartest noch zwei Tage, bis du ihn anrufst, postest aber auf Face Tonnen von Ich-hab-verdammt-viel Spaß-Pics“ erklärt das Kind, „was ist der Kretino eigentlich im Sternzeichen?“ Ich wittere in naher Zukunft ein Weltberatungsimperium mit dem zugkräftigen Namen „Ezzes unlimited“; das Kind rast mit Blaulicht und gegen gutes Geld an Beziehungskrisenherde und in rauchende Liebesruinen. Und ich kann es mir dann schon einmal in meiner Beratungsresistenz gemütlich machen. Vorzugsweise am Meer.

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