Bischofberger: "Ab 50 muss man in der Liebe kreativ sein“
Vielen Menschen hat sie schon das eine oder andere Geheimnis im Interview entlockt. Nun hat Conny Bischofberger, Chefinterviewerin der Krone und vormals KURIER-Autorin, die Seite gewechselt. Sie schildert eine persönliche Erfahrung im Lockdown. In ihrem stark autobiografischen Roman Herzschweissen erzählt sie über eine poesievolle, aber letztlich unerfüllte Liebe mit knapp 60 Jahren. Ihre Hauptfigur Isabella, selbst Journalistin, tauscht sich im ersten Lockdown mit einem NGO-Chef über eMails aus. Das Ganze wird immer intimer, aber auf einmal reagiert er nicht mehr. Daraufhin macht sie sich auf die Suche nach ihm und sich selbst.
Im KURIER-Interview spricht die Autorin über den sogenannten „Ghosting“-Trend und darüber, was der Unterschied zwischen digitaler und echter Nähe ist.
KURIER: War das Buch für Sie die Verarbeitung einer unerfüllten Liebe?
Conny Bischofberger: Ich schreibe in der Kronenzeitung immer sehr kurze, präzise Texte. Die Kolumnen und Interviews sind auch immer ein abgeschlossenes Werk. Ich wollte einfach länger schreiben, mich in Details verlieren, noch einen Moment dazugeben, noch einen Augenblick, was gar nicht so einfach war. Einen Roman zu schreiben ist eine keine leichte Aufgabe, weil es eine Handlung braucht und es in jedem Moment spannend bleiben muss. Obwohl es ein Liebesroman ist, ist der Text sehr temporeich, aber zugleich sehr prickelnd und sinnlich geworden.
Autorin Conny Bischofberger im Checkpoint bei Ida Metzger
Im Mittelpunkt des Buches steht der poesievolle Mailverkehr. Wo liegt die Hürde, eine Zuneigung, die digital fast süchtig macht, auch in der Realität zum Laufen zu bringen?
Im Grunde sind wir doch analoge und nicht virtuelle Wesen. Das große Missverständnis ist: Wenn man online jemandem nahe kommt, ist diese Nähe nicht echt. Wenn man den Menschen dann trifft, merkt man, die Wirklichkeit kommt da nicht nach. Es fehlt dieses entschleunigte Kennenlernen. Bei den Mails geht alles irrsinnig schnell. Meine Hauptfigur Isabella nennt diesen Mailverkehr Pingpong. Die Mails schießen wie Tischtennisbälle hin und her, manchmal in Sekundenschnelle. Manchmal hat es eine Minute gedauert, bis man geantwortet hat. Dann hat es wieder tagelang keine Mails gegeben. Es war ihr wichtig, dass das Ganze freiwillig und somit fantasievoll geblieben ist. Aber in der Realität? Sie begegnen sich nur zweimal, und dann verschwindet er.
Verschwinden ist im Lockdown und in der digitalen Welt besonders leicht ...
Ich glaub, die Virtualität verleitet sehr dazu. Du kannst sehr schnell Kontakt und Nähe herstellen, es ist aber genauso leicht, die Sache abzubrechen. Du schreibst einfach nicht mehr zurück oder blockierst ihn. Mein Sohn hat mir das gesagt, dass das bei den Jungen „Ghosting“ heißt. Wenn sich der Mensch dann, nachdem er dich „geghostet“ hat, nach ein paar Monaten plötzlich wieder meldet, nennt man ihn Zombie. (Anm.: Als wäre er von den Toten auferstanden)
Baut die Mail-Kommunikation eine Fantasiewelt auf, die am Ende trügerisch ist?
Das ist offensichtlich für diesen Mann auch der Reiz gewesen, den eMail-Kontakt einzugehen, weil er gespürt hat, es gibt eine Ebene mit der Frau, die mit seiner Welt eigentlich gar nichts zu tun hat, so eine Art Parallelwelt. Dazu kam, dass er verheiratet war. Durch den Mailverkehr nimmt er seiner Ehefrau nichts an Würde weg. Die Ebene zwischen meinen Hauptfiguren ist eigentlich die Sprache. Für mich ist es nicht nur ein Roman über die Liebe, sondern vor allem aber ein Buch über die Liebe zur Sprache.
Die Liebe zur Sprache spürt man in jeder der Konversationen, die von einzelnen Sätzen bis zu selbst geschriebenen Gedichten, die die beiden Hauptfiguren einander schicken, reichen. War das in der Realität auch so?
Der Lockdown hat hier eine große Rolle gespielt. In diesen Wochen entwickeln sie eine eigene Sprache. Vor allem ist er kein sehr emotionaler Mensch. In diesem Austausch lernt er, total aus sich herauszugehen, und findet eine Sprache, mit der er endlich seine Gefühle ausdrücken kann. Obwohl die Geschichte nicht gut ausgeht, sind am Ende beide Gewinner.
Die Hauptfigur ist fast 60, hat seit zehn Jahren keine feste Beziehung mehr. Warum wird es im Alter immer schwieriger, eine neue Liebe zu finden? Weil man weniger bereit ist, Kompromisse einzugehen?
Es kommt immer auf die Erwartungen an. Die Freundinnen meiner Hauptfigur Isabella sagen: „Warum tust du dir das noch an?“ Sie erzählen von den furchtbaren Erfahrungen und dass fast jeder Versuch schlecht ausgeht – vor allem, wenn die Männer verheiratet sind. Isabellas Freundinnen haben das Kapitel Liebe aufgegeben. Meine Botschaft hingegen ist: Es ist nie zu spät. Man kann sich immer wieder verlieben. Es ist egal, ob du 18, 48 oder 88 Jahre alt bist. Die Liebe bleibt immer ein schönes Gefühl. Aber ich glaube, ab 50 müssen Frauen in der Liebe kreativ sein.
Inwiefern und warum gerade Frauen?
In der Bibel steht: „Du sollst dir kein Bild machen“. Die meisten Frauen haben aber ein ganz klares Bild, wen sie suchen. Wie der Mann sein muss. Welche Erwartungen der Mann erfüllen soll. Ich glaube, das Geheimnis ist, offen zu sein. Zu schauen, was kann mir der Mann geben? Was fühle ich, wenn ich mit ihm zusammen bin? Was ist möglich? Viele wollen ja gerne einen Rahmen. Ich falle ja lieber aus dem Rahmen. Aber wenn man einen Rahmen benötigt, dann sollte man diesen gemeinsam finden, aber nicht schon alles beim ersten Treffen kaputt machen, weil es mit Erwartungen überladen ist.
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