Selbstbemalung, 1964/2005

Selbstbemalung, 1964/2005
Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, präsentiert für die freizeit die 100 größten Kunstwerke Österreichs.

Günter Brus hatte sich früh von klassischen Formen der Malerei gelöst. Mit den Projekten des "Wiener Aktionismus", die sich auf die Jahre 1964 – 1970 konzentrieren, ging er in die überregionale Kunstgeschichte ein. Vielen wird die Hörsaal-Aktion vom 7. Juni 1968 – von den Medien reflexartig als "Uni-Ferkelei" bezeichnet – in Erinnerung geblieben sein, die Brus heute so kommentiert: "Ich sage das immer wieder, da war von mir überhaupt keine Ästhetik geplant, nicht im Mindesten. Ich wollte nur schocken, ich wollte die maximale Schockwirkung."

Die Dokumente, die von den ersten Performances im Gründungsjahr des "Wiener Aktionismus" berichten, sind von unterschiedlicher Herkunft und Dichte: Es gibt einige Skizzen zur Vorbereitung der Aktionen, manchmal sind auch detaillierte Entwürfe erhalten. Anschaulicher sind Fotografien wie diese oder die wenigen erhaltenen Filmaufnahmen. Alle Beteiligten (neben Brus waren das Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler) litten unter Geldmangel – mehrere Fotografen oder gar ein Filmteam zu beauftragen, war zu diesem Zeitpunkt undenkbar. Zwischen 1964 und 1970 entstanden mehr als vierzig aktionistische Performances, die zunächst meist ohne Publikum stattfanden. Worum ging es den Akteuren? Vereinfacht gesagt, hatte Brus die Staffelei gegen den eigenen Körper und den ihn umgebenden Raum getauscht: "Selbstbemalung ist eine Weiterentwicklung der Malerei. Die Bildfläche hat ihre Funktion als alleiniger Ausdrucksträger verloren. […]. Durch die Einbeziehung meines Körpers […] entsteht […] ein Geschehen, dessen Ablauf die Kamera festhält und der Zuschauer miterleben kann. Der Raum, mein Körper und alle Objekte, die sich in ihm befinden, werden verwandelt. Alles wird weiß gestrichen, alles wird zur ,Bildfläche’." (1965). Sein Kopf ist mit dem Bild eins geworden, der Künstler ist gleichsam im Bild verschwunden.

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