Der Naschmarkt in Wien, 1894

Der Naschmarkt in Wien, 1894
Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, präsentiert für die freizeit die 100 größten Kunstwerke Österreichs.

Carl Moll hatte um die Jahrhundertwende viele jüdische Förderer, war führendes Mitglied der 1897 gegründeten Wiener Secession und unterstütze seinerseits junge Künstler wie Oskar Kokoschka und Anton Kolig. Vielfältig mit der lokalen modernen Kunstszene verwoben, trat er jedoch spätestens seit den 1930er-Jahren als Anhänger der Nationalsozialisten auf. Angesichts der heranrückenden russischen Truppen beging er gemeinsam mit seiner Tochter und deren Ehemann am 13. April 1945 Selbstmord.

Den sonnendurchfluteten Blick auf den Wiener Naschmarkt hat Moll mehrmals gemalt. Diese Version ist wohl die Bekannteste. Die Dramaturgie von dunklen und hellen Tönen, Vorder- und Hintergrund, das Wechselspiel zwischen Obst- und Gemüsekörben, handelnden und flanierenden Menschen und Architektur überzeugt noch immer und macht Lust auf einen Besuch des berühmten Marktes. Die Karlskirche im Hintergrund bietet der Szene mit ihrer Unschärfe und Monochromie einen beruhigend einwirkenden Bühnenhintergrund und macht den Ort des Geschehens schnell erkennbar. Apropos Ort: 1894 war der Markt noch im Bereich Wiedner Hauptstraße/Karlsplatz untergebracht, der Wienfluss war noch offen einsehbar. Erst nach der Jahrhundertwende wurde der Naschmarkt an seinen heutigen Standort verlegt.

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