Sie ist 24, er 58: Wenn die große Liebe ein bisschen älter ist
Romi und Peter lernen sich in der Schule kennen: er ist ihr Latein-Lehrer, sie seine Schülerin. 34 Jahre liegen zwischen ihnen. In Tirol ein Skandal. Die große Liebe ist es trotzdem. Welche Herausforderungen mussten sie bewältigen? Ein Paar erzählt.
Kennengelernt haben sie sich in der Schule, ineinander verliebt nach der Matura. Romi war Schülerin in einem Gymnasium in Tirol, Peter ihr Lehrer in Latein. Dieser Umstand und ihr großer Altersunterschied sorgten für Aufsehen und Gerüchte. Heute sind die beiden verlobt. Romi hat Architektur studiert, schreibt an ihrer Dissertation. Peter ließ sich versetzen und unterrichtet an einem Gymnasium Latein und Altgriechisch. Aus einer 15 Jahre langen Ehe hat er drei Kinder, aus einer anderen vorangegangenen Beziehung ein weiteres Kind. Hier erzählen die beiden ihre Geschichte und welche Herausforderungen sie als Paar bewältigen mussten.
Romi und Peter, wie haben Sie sich kennengelernt?
Romi: Der Peter war vier Jahre lang mein Lehrer am Gymnasium. Ich habe meine vorwissenschaftliche Fachbereichsarbeit bei ihm geschrieben, da hatte ich erstmals näher mit ihm zu tun. Es ging um Pink Floyd, die haben mir total gut gefallen. Peter hat mir über den Sommer Bücher darüber geliehen, ich habe sie ihm zurückgebracht. Bei der Gelegenheit hat er mir seinen Rosengarten gezeigt und wir haben auch einmal Kaffee getrunken. Mehr ist es erst nach der Schulzeit geworden. Während ich seine Schülerin war, hatten wir eher ein ambivalentes Verhältnis. Eine Art Hassliebe.
Peter: Ich musste sie ja beurteilen. Da war sie nicht immer einverstanden damit.
Romi: Allerdings. (grinst) Ich mochte Latein gern, bin aber oft mit ihm zusammengekracht. Aber ich mochte ihn immer schon gern, fand ihn interessant. Als er mich hereingebeten hat, fand ich ihn sehr charismatisch. Mit einem Lehrer eine Beziehung einzugehen, das lag außerhalb meiner Vorstellungskraft. Das hat sich entwickelt. Anfangs dachte ich ja auch: Das gibt’s doch nicht, dass ich mich in so einen alten Knacker verliebe?
Peter: Ich habe sie oft genug gewarnt. (lacht)
Wünschten Sie bei diesen Begegnungen insgeheim, wäre ich doch nur 20 Jahre jünger?
Peter: Ich habe nicht das Gefühl, dass zwischen uns ein riesiger Altersunterschied liegt. Durch die Schule habe ich eigentlich immer mit jungen Leuten zu tun. Und mit den drei meiner vier Kinder, die ungefähr alt sind wie die Romi, blödle ich genauso herum wie mit ihr.
Romi: Meine Freunde haben gesagt, die Romi braucht einen älteren Mann. Weil sie mit einem Jüngeren nix anfangen kann. Das stimmt natürlich nicht ganz. Aber ich mag vieles an ihm, das ein Gleichaltriger vielleicht nicht bieten könnte. Peter ist so gebildet, er interessiert sich für Kunst und Musik. Er reist gerne mit mir, ist selbständig und unabhängig. Mein Ex-Freund dagegen lebte bei seinen Eltern, hatte nie Geld und war ein bisschen faul. Das wollte ich einfach nicht mehr. Peter ist ein Jungspund. Ein klassischer alter Mann ist er für mich nicht.
Peter: Romi fiel schon in der Schule auf, weil mit ihr sehr gut zu diskutieren war. Sie hat sich immer sehr für philosophische Themen interessiert. Als Schülerin war sie interessant. Etwas, das darüber hinausgeht, blockt man als Lehrer ab, weil das gefährlich ist. Man hat zwar seinen Spaß, aber dann wird es wieder ernst. Man muss objektiv bleiben.
Ein Paar geworden sind Sie erst nach der Matura. Wie haben Sie sich wiedergetroffen und zueinander gefunden?
Romi: Ich glaube, die Initiative ging mehr von mir aus. Ich habe ihn manchmal unauffällig angerufen, ihn gefragt, wie es denn um die Rosen bestellt sei oder mich nach seinem Kater Flausch erkundigt. Ich habe selbst fünf Katzen. Wir haben uns gegenseitig Fotos unserer Katzen geschickt. Und ich habe gefragt, ob ich ihn wieder einmal auf einen Kaffee besuchen kommen soll. Wir haben den Kontakt nicht abreißen lassen. Ich bin dann auch bald bei ihm eingezogen.
Peter: Unsere Beziehung entwickelte sich über den Sommer. Ich habe weder etwas dagegen getan, noch die Romi allzu viel dafür. Es war wie bei zwei Schienen, die auf eine Weiche zusteuern. Und über kurz oder lang wurden wir ein Paar. Ich kam damals gerade aus einer Beziehung. Und flupp, war ich in der nächsten. Das mit dem Zusammenziehen hat sich gut ergeben. Das Haus ihrer Familie stand leer. Die Eltern sind geschieden; bei ihrer Mutter, ihrem neuen Partner, und in der Dachgeschosswohnung, die im Prinzip ein großes Zimmer ist, konnte sie nicht wirklich länger bleiben. Jetzt leben wir gemeinsam hier. Schule für die Arbeit erledige ich allerdings bei mir daheim.
Was hat Ihr Umfeld auf Ihre Beziehung reagiert?
Romi: Mein Vater war schon ein bisschen schockiert. Er hatte Angst, er hätte etwas falsch gemacht und total versagt, was nicht der Fall ist. Er nahm an, ich würde an einem Vaterkomplex leiden. (lacht) Um ihn zu beruhigen, sagte ich ihm, Peter und ich würden es uns überlegen, ob es uns ernst ist oder nicht. Aber eigentlich stand das für mich nie in Frage.
Peter: Als wir es offiziell machten, habe ich ihre Eltern um ein Gespräch gebeten. Romis Mama ist Künstlerin und hat ein Atelier. Dort haben wir uns getroffen. Ihr Vater hatte Fieber, litt an einer Sommergrippe; es war affenheiß und er stand schwitzend in der schönen Hose und im Hemd da. Ich hingegen kam gerade von der Gartenarbeit, im Leiberl und kurzer Hose. Und bin auf meinem rostigen Radl vorgefahren. (lacht) Da ist ihm erst einmal die Kinnlade runtergefallen und er hat sich ordentlich aufgeregt. Doch nach zwei Stunden sind wir schließlich als gute Freunde, mit Verständnis für den anderen, auseinandergegangen.
Romi: Irgendwann habe ich einmal nach ihnen gesehen. Als ich sie fand, saßen sie zusammen, bei Whisky und Zigarre. (lacht)
Peter: Meine Kinder haben sich auch sofort mit der Romi verstanden. Und meine 92-jährige Mutter ist sehr tolerant, obwohl sehr christlich erzogen. Der Papa ist schon vor 20 Jahren gestorben.
Romi: Ich sage immer: Durch den Peter habe ich eine zweite Familie bekommen, so gut verstehen wir uns. Seine Kinder sind über die Jahre die besten Freunde für mich geworden. Seine Mama ist wie eine Oma für mich. Sie ist so süß. Einmal hat sie mir eine weiße Rose geschenkt und zu mir gesagt: Diese weiße Rose ist für dich, damit du weißt, dass du immer willkommen bist. Wir haben uns sofort gut verstanden.
Peter: Eigentlich mögen meine Verwandten sie lieber als mich. (lacht)
Romi: Meine guten Freunde haben zu mir gesagt, sie wollen, dass ich glücklich bin. Es ist ihnen egal, mit wem ich zusammen bin. Und dann gibt es halt noch andere. Tirol ist ein Dorf. Da sind gleich viele Gerüchte entstanden. An meinem ersten Tag an der Uni habe ich meiner Sitznachbarin erzählt, wo ich in die Schule gegangen bin. Die Reaktion war: „Was, in diese Schule? Da hat ein 42-jähriger Lehrer etwas mit einer 16-Jährigen angefangen und die ist jetzt schwanger!“ Ich antwortete, also, das bin ich – aber schwanger bin ich nicht und ich bin auch nicht 16. Und er ist nicht 42, sondern 52. Das war ganz witzig. Unsere Geschichte hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer, sie war ein Skandal. Gottseidank haben wir uns nie viele Gedanken darüber gemacht, was andere davon halten.
Peter: Es wurde sehr viel geredet. Ich muss zugeben, mir ist das alles ein bisschen zu viel geworden. Die Schulleitung hat mich zu ihr zitiert, man müsse auf den Ruf der Schule achten. Ich habe gefragt, was man mir vorwirft. Es ging ja alles mit rechten Dingen zu. Ich habe dann allerdings meine Versetzung beantragt. Jetzt unterrichte ich in einem Gymnasium 50 Kilometer weiter. Das ist sehr angenehm. Als ich dort anfing, wussten trotzdem bereits alle Bescheid. In ganz Tirol gibt es wohl keine Schule, in der niemand von uns gehört hätte.
Romi: Peter hat gesagt, er möchte nicht so dastehen, als ob er mit jeder Schülerin ein Verhältnis anfangen würde. Dadurch, dass wir unsere Beziehung öffentlich gemacht haben, zeige ich auch, dass ich mich ganz offen dafür entschieden habe. Deswegen haben wir uns auch verlobt.
Peter: Es ist ein Zeichen nach außen, aber auch an die Romi, dass es uns ernst ist. Deswegen haben wir uns einen Ring gekauft und uns verlobt.
Gab es eine Phase, in der das Gerede über Sie Eurer Beziehung ernsthaft zu schaffen gemacht hat?
Peter: Nein. Das schweißt eher zusammen. Man blendet das Außen aus, ist auf sich selbst angewiesen.
Romi: Wir hatten auch keine andere Wahl, als es offensiv anzugehen. Die damalige Schulsprecherin des Gymnasiums hat uns in den Sommerferien zusammen am See gesehen. Sie hat ein Foto von uns gemacht und es an die Schule weitergegeben. Das war nicht nötig, wir wollten ja gar nichts verheimlichen. Das Bild war schnell jedem bekannt. Gottseidank haben wir beide gut darauf ausgesehen. (lacht)
Zwischen Ihnen liegt eine Generation. In welchen Situationen fällt Ihnen das besonders auf?
Peter: Es fällt eigentlich nicht auf. Ich rede mit ihr genauso, wie ich mit einer Kollegin reden würde. Nur manchmal muss ich aufpassen, dass ich nicht zu sehr ins Lehrerhafte verfalle.
Romi: Wobei der Peter mit allen ein bisschen lehrerhaft ist, auch mit seiner Mutter, oder mit meiner Mutter. (lacht) Ich glaube, nur manche Situationen fallen ihm ein bisschen schwer, etwa wenn er sich zu Hause über Unordnung beschwert, und es sich herausstellt, dass dafür nicht seine Kinder verantwortlich sind, sondern ich. Er weiß dann nicht, ob er mit mir auch schimpfen darf. Ansonsten fällt es vielleicht bei Apps oder Social Media auf.
Peter: Romi ist Architektin, war kunstgeschichtlich schon immer interessiert. Machen wir eine Reise, etwa nach Italien, erfreuen wir uns an denselben Dingen.
Romi: Das sind unsere drei K’s: die Kunst, die Kultur, und die Kulinarik. (schmunzelt)
Würden Sie Ihr Beziehungsmodell anderen weiterempfehlen?
Romi: Vieles, das an einem Mann in jungen Jahren oft ein bisschen nervig sein kann, haben andere Frauen bereits ausgebügelt. Peter weiß, wie er mit Frauen umzugehen hat. Er ist selbständig und weiß, wie man konstruktive Gespräche führt.
Wünschtet Ihr manchmal, ihr wärt gleich alt?
Romi: Also wenn er so alt wäre wie ich, dann würde ich ihn wie nur was von der Bettkante stoßen.
Peter: Ich war so kindisch in dem Alter! (lacht)
Romi: Furchtbar! Das wäre ganz schrecklich.
Es gibt Lebensphasen, in denen ein Altersunterschied weniger deutlich wird. Denken Sie manchmal daran, was in zehn oder zwanzig Jahren sein wird?
Peter: Ich sage es Romi oft genug, dass sie daran denken soll. Sie antwortet jedes Mal darauf, dass ihr das egal sei und sie mich dann eben mit 80 am Rollator durch die Gegend schiebt. Aber eigentlich ist der Gedanke an später wenig präsent. Paare, die Mitte 20 heiraten, zerbrechen sich doch auch nicht den Kopf über die Zukunft. Warum sollten wir uns also sorgen?
Romi: Natürlich könnte ich mich grämen, dass einmal der Tag kommen wird, an dem der Peter stirbt. Doch wenn ich Pech habe, sterbe ich davor. Planen kann man in der Liebe ohnehin nichts.
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